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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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finden, in denen Trotzkisten, Maoisten, Neue Linke, Operaisten, Eurokommunisten, Neue Soziale Bewegungen, Anarchisten (und wer sonst noch in Reemtsmas Bezugsrahmen paßte) ihre Differenzen zur sowjetischen Linie herauszufinden und klarzulegen versuchten. Sie hatten es, der Wahrheit die Ehre, dabei erheblich schwerer als Lenin bei der Spaltung der SDAPR in Bolschewiki und Menschewiki oder die Spartakusgruppe bei der Abwendung von der SPD, denn der Verrat der Zweiten Internationale am Internationalismus war lange vor dem Akutwerden der Kriegsfrage durch allerlei explizit revisionistische Absagen an andere zentrale Kernpunkte des marxistischen Programms vorbereitet worden, während man der Sowjetunion allerlei Handlungen und Unterlassungen, nicht aber den ausdrücklichen Bruch mit der programmatischen Tradition vorwerfen konnte, die ihr vielmehr Legitimationsgrundlage, mitunter in Gestalt einer Art Staatsreligion (und wie bei dieser häufig in Gestalt zu nichts weiter verpflichtender Sonntagsreden), war und blieb. Selbst der Streit der Parteispitze mit dem Dissidenten Trotzki über den »Sozialismus in einem Land«, der einer theoretischen Kontroverse um Treue zu Marxschen Grundsätzen noch am nächsten kam, blieb ein schwacher Schatten etwa der Konfrontationen zwischen Luxemburg und Bernstein oder Lenin und Kautsky, weil es sich beim Dissens in der Frage Sowjetstaatkonsolidierung versus Weltrevolution im Grunde bloß um strategische, nicht programmatische Schwierigkeiten handelte, nämlich solche der für gewisse historische Prozesse erforderten Zeitspannen – Stalin hat ja einige Programmpunkte der Trotzkifraktion nach dem Landesverweis für deren Meister selbst verwirklicht; der »Sozialismus in einem Land« war auch von den patriotischsten Großrussen in der KPdSU nie offen mit einem Abgehen vom (Fern-?)Ziel der Weltrevolution verbunden, sondern lediglich als deren erstes Stadium aufgefaßt worden, und noch die berühmt-berüchtigte »friedliche Koexistenz« der Chruschtschows, Breschnews und Konsorten erläuterte die sowjetische Führung den aufmerksamen Legionen des Weltkommunismus als eine ganz besonders neue, ganz besonders pfiffige »Form des Klassenkampfs«, von dessen Prinzip man also nicht loswollte (sie war ja wirklich eine; wenn auch in einem ganz anderen Sinn, der sich erst am Ende des unterliegenden Systems im Systemwettstreit enthüllte).
    »Wir wollen, was die Anarchisten wollen, aber wir sind dabei realistischer« – so hatten schon Marx und Engels argumentiert, so argumentierte Bucharin, als er auf Stalins Seite übergegangen war, so ließ Stalin argumentieren, wenn er nicht selbst hervortreten wollte oder konnte, und die Sache wird nicht anders, wenn man die Anarchisten durch Trotzkisten ersetzt.
     
    Das lange Sterben der Dritten Internationale (das für Trotzkis Anhänger mit den Streitigkeiten um den Meister beginnt, für andere mit der Auflösung der Komintern, für Stalintreue mit Chruschtschows Rede auf dem XX. Parteitag, für Maoisten mit Maos Tod – einigermaßen übereinstimmend äußern sich Kommunisten nur, wenn es darum geht, das Ende des Prozesses zu bestimmen; das hat Gorbatschow gesetzt) war also, haben wir zeigen können, begleitet weniger vom Streit über Ziele als vielmehr von Diskussionen über Relationen zwischen Zwecken und Mitteln – daß die, solange in ihnen noch die sehr handfesten Machtkämpfe und Erbfolgestreitigkeiten nach Lenins Tod steckten, an denen sie sich entzündeten, auch danach erbittert und ohne Rücksicht auf Verluste geführt wurden, zeigen nicht nur allbekannte, vom Westen noch jahrzehntelang in einer Mischung aus echtem Abscheu und verhaltener Schadenfreude ausgeschlachtete Maßnahmen wie die Moskauer Prozesse und Trotzkis Ermordung, sondern auch das Verhalten der von solchen schweren Angriffen betroffenen Gegenseite, gerade in militärischer Hinsicht – wie sonst soll man das nennen, wenn Trotzki, immerhin der einstige Mitbegründer und zeitweilige Anführer der Roten Armee, diese am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, als das Bedrohungspotential, das von Hitlers Wehrmacht ausging, von niemandem mehr zu übersehen war, aus dem Ausland zum bewaffneten Aufstand, zum militärischen Staatsstreich in der Sowjetunion aufrief? Die Erhaltung des »degenerierten Arbeiterstaates« war ihm in nicht eben unwichtigen Momenten mitunter weniger wichtig als der persönliche Traum von einer Rückkehr nach Art der Einfahrt Lenins auf dem finnischen Bahnhof, gedacht als

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