Der Implex
Sosein des Gegebenen können sich Strömungen stets durchringen, die auf den Sieg zufließen oder so scheinen, als täten sie dies. Daß dabei von denen, die nicht mitmachen, manchmal Positionen und Personen zu solchen Strömungen zusammengefaßt werden, die eigentlich recht wenig (und schon gar nichts politisch Entscheidendes) eint, gehört zum Geschäft (und zum Getümmel, in das Polemik gerade dann, wenn es nicht um die eigene Haut geht, um so schneller gerät).
»Bellizismus« nannte man das also, was die liberal hawks verband, vor allem in Deutschland, damit das Ding einen Namen habe. Dabei fiel ein Unterschied vom Tisch, den man genauer hätte studieren können: Ein Teil derer nämlich, die nun die Bedrohung Israels durch Saddams Scud-Raketen und seinen tatsächlichen Raketenangriff auf dieses Land zum Anlaß nahmen, jene alte antiimperialistische Position zu überprüfen, ja mit ihr zu brechen, wonach Israel nichts (jedenfalls nichts beachtenswert) anderes sei als ein imperialistischer (Landungs-)Brückenkopf, das »staatsförmige Eingreifkommando der USA im Nahen Osten« (so Gremliza zu einem früheren Zeitpunkt), wollte tatsächlich nichts, als sich und andere zu fragen, ob eine Redeweise noch politisch vertretbar sein konnte, der das geopolitische cartesische Koordinatenraster weggebrochen war; das Synchronschwimmen mit der sowjetischen (seltener: chinesischen) Außenpolitik war in der Tat eine müßige Sportart geworden und die Frage, ob es Schlimmeres geben könne als den Imperialismus, nicht die fernstliegende. Ein anderer Teil derer, die man unterm schillernden Schirm jenes ominösen »Bellizismus« zusammenrücken sah, suchte indes einfach Anschluß an den Westen und zahlte den Preis dafür nicht widerwillig, sondern eifrig, gestrichen werden sollte das Ziel der Abschaffung des Kapitalverhältnisses im Weltmaßstab genau in dem Moment, da dieser Weltmaßstab sich, anders als in den Jahrzehnten des gefrorenen Weltbürgerkriegs, erstmals wirklich vereinheitlichte und Verhältnisse im Entstehen begriffen waren, die Marx und Engels ihren Revolutionserwartungen zugrundegelegt hatten, noch ehe sie eingetreten waren.
Zwei Gruppen, verklammert mit einem Begriff: Linke, die sich entschlossen, einen Feldzug zu akzeptieren, ohne den die Voraussetzungen fürs Erreichen der linken Ziele noch schlechter werden könnten als mit ihm; andere, die sich entschlossen, die linken Ziele preiszugeben, um einen Feldzug gutheißen zu können, der ihnen um anderer Güter, die ihnen jetzt lieber waren als die linken Ziele von ehedem, unvermeidlich schien. Die erste Gruppe sagte etwas wie: »Mit diesen Leuten (Saddam Hussein, Hamas, Gaddafi & tutti quanti) erreichen wir unsere Ziele nie, und wenn wir sie, nur um stehengebliebene Frontabschnitte aus der Zeit des Kalten Krieges aufrechtzuerhalten, jetzt unterstützen, begeben wir uns auf den Pfad des propter vitam vivendi perdere causas « , die zweite etwas anderes, nämlich: »Ob jene Ziele mit Hamas und Saddam Hussein erreichbar sind oder nicht, ist uns ganz gleich, es hat ohnehin nicht sollen sein.« Die erste Gruppe, die sich in Deutschland eher als Israelunterstützerfraktion denn als Auslandspropagandaabteilung der USA sah, kann man dabei eigentlich ebensowenig »bellizistisch« nennen wie die andere, weil das Wort in suggestiver Weise Leuten unterstellt, ein Mittel wie einen Zweck zu behandeln, das sie in Wirklichkeit unter ausdrücklichem Verweis auf einen ganz anderen Zweck eingesetzt wissen wollen. Gebildet wurde das Wort, ein echtes Merkzeichen der großen Konfusion nach dem Ende des Stellungskriegs der Blöcke, nämlich in schiefer Analogie zum »Pazifismus«, der nach dem von Weber in Politik als Beruf skizzierten Sprachspiel bekanntlich zur »Gesinnungsethik« gehört, während die beiden oben dargestellten, unterm »Bellizismus«-Etikett zusammengezwungenen Parteiungen »verantwortungsethisch« denken, reden und schreiben. Wer das Pazifismus/Bellizismus-Wortpaar gebraucht, bringt die Einheit der damit gesetzten Differenz von vornherein in eine Schieflage, die den als bellizistisch ausgeflaggten Positionen keine Möglichkeit der Güterabwägung mehr läßt, da der Pazifismus absolute Geltung beansprucht, eine Sorte Geltung also, die von besagten zwei Parteiungen für ihre Empfehlungsbegründungen und Folgenerwartungen weder beansprucht wird noch verteidigt werden könnte. Für Pazifistinnen und Pazifisten ist die Gewaltlosigkeit nicht kontextualisierbar.
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