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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Prinzipiell muß, wer die Aufklärung fortschreiben will und deshalb Politisches nicht anders denken kann als historistisch, den Pazifismus wegen dieser Idee einer absoluten Geltung seiner Normen noch nicht verwerfen; Absoluta sind dem Historismus, wie ihn Vico vorbereitet, die Aufklärung entwickelt, Condorcet und Hegel systematisiert, Marx und Engels ins Praktische gewendet haben, nicht notwendig wesensfremd – man mag sämtliche vorstellbaren und eingetretenen geschichtlichen Situationen jeweils als kontingent, relational kontextualisierbar, unabhängig von deontischen Modalitäten und so fort betrachten und dennoch für alle diese Situationen gewisse etwa sittliche Vorstellungen absolut setzen; ein logischer Widerspruch besteht nicht, solange Humes Gesetz anerkannt ist.
    Einige der klügsten, keineswegs transzendental begründeten, rein weltimmanent gedachten, der geschichtlichen Relativität politischer Forderungen durchweg bewußten Ansprüche klassischer Gesellschaftskritik sind in genau diesem Sinne Absoluta, nicht zuletzt die Marxsche, es gelte, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist; oder auch die an eine sehr besondere geschichtliche Situation gebundene, törichterweise gerade von Marxisten verhöhnte, von Karl Kraus aber bejahte Generallinie für eine österreichische Anti-Anschluß-Politik: »Alles, nur nicht Hitler«; nicht zuletzt Adornos Diktum, Ziel aller Politik nach dem Zweiten Weltkrieg müsse sein, daß sich Auschwitz niemals wiederhole.
    Aufgeklärte Pazifisten sind daher vorstellbar; aufgeklärte Bellizisten aber, die den Krieg so setzen wie der Pazifist den Frieden, sind kaum vorstellbar, und die unaufgeklärten sind selbst auf Seiten der Reaktion eher bizarre Figuren, Spartaner, ein paar Wahnsinnige unter Marinettis Futuristen, rasende Wörtlichnehmer von Nietzsches Sottise, man solle den Krieg mehr lieben als den Frieden und den kurzen Frieden mehr als den langen, Selbstmordattentäterinnen, psychotisch gewordene Generalstabsmitglieder.
IV.
Militärische und antimilitärische Kompetenz
    Was die verantwortungsethische, oder weniger festtäglich gesagt: die berechnende Seite der politischen Arbeit angeht, so haben sich Marx, Engels und die meisten ihrer Anhänger und Nachfolgerinnen von allen Emanzipationsbewegungen seit dem Aufbruch des Bürgertums den glänzendsten Ruf mit der Waffe der Kritik wie der Kritik der Waffen erworben – daß der berechnende, machiavellistische Zug die Reaktion an der Revolution stets am übelsten abstößt, von der Polemik gegen Condorcet und der antirevolutionären Agitation wider die Spottfigur des » calculateur patriotique «, der mit Knochen kegelt, bis zu den antisowjetischen Dystopien aus der Hochzeit des Kalten Krieges, die im Westen die sozialistische Zukunft als eine Epoche malten, in denen »die Menschen von Computern beherrscht« würden, ist zwar nicht gleich ein Grund, links den Vorwurf der kalten Berechnung und seelenlosen Vernünftelei wie einen Ehrentitel vor sich her zu tragen, sollte aber doch sensibel machen dafür, daß man rechts jedenfalls weiß, welche Eigenschaften der Linken madig gemacht werden müssen, um ihre Erfolgsaussichten zu schmälern. Wer die Verantwortungsethik umgekehrt für anständiger, weil grundsätzlich bescheidener hält als die Gesinnungsethik, unterschätzt aber den Umfang des Bereichs, der sich Kalkülen erschließen läßt – selbst Kants gewiß ehrgeiziger »ewiger Friede« kommt, wie bei diesem Denker überhaupt das Beste, aus Überlegungen betreffend das Machbare her, nicht solchen übers Wünschbare; und der Marxismus, wenn er verspricht, einen Zustand herstellen zu können, in dem es für den Krieg keine vernünftigen, Interessen bedienenden Gründe mehr gebe, geht über Montesquieus gesinnungsethische Idee, man müsse alle Despoten loswerden, weil der beseitigte Kriegsherr den beseitigten Krieg bedeute, in Wahrheit weit hinaus, da bis ins Gesamtgesellschaftliche, den engen Fokus der Regierung in Richtung überhaupt aller Relationen innerhalb des Gemeinwesens Sprengende. Dieser letzte Schritt ist für alle, die an praktischer Politik interessiert sind, vor allem deshalb attraktiv, weil er das Unerfreuliche nicht an allgemeinen Denkursachen (etwa der hinter Montesquieus Plan steckenden Ansicht, Macht korrumpiere notwendig jeden – sie sieht politisch aus und ist anthropologisch, das bekommt ihr schlecht, sobald es

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