Der Implex
Dezember 1990 also konnte man mit einigem Ernst davor warnen, in den Kriegen, die sich nun ankündigten, Partei zu nehmen – gegen den Antiimperialismus, sagt die Warnung, spricht, daß er zur abstrakt fortschrittlichen Position verblaßt, die konkret faschistoiden, antisemitischen oder anders atavistischen Eliten in den nachkolonialen Gegenden die Hand reicht; gegen die Haltung der amerikanischen liberal hawks und das antibarbarische Pathos der Weltordnerei aber spricht, daß man damit eine ebenso abstrakt fortschrittliche, konkret aber brutal neokoloniale Politik affirmiert. Völlig selbstverständlich gesetzt ist dabei, daß die Möglichkeit der Parteinahme in Militärfragen Voraussetzung linker Politik sei, und stillschweigend weiter vorausgesetzt wird hierbei natürlich, daß die Linke selbst keine Partei sei – Engels, in seinem glänzenden Text Die preußische Militärfrage und die deutsche Arbeiterpartei , sah beides noch gerade andersherum: »Die Partei der Arbeiter, die in allen Fragen zwischen Reaktion und Bürgertum außerhalb des eigentlichen Konflikts steht, hat den Vorteil, solche Fragen ganz kaltblütig und unparteiisch behandeln zu können. Sie allein kann sie wissenschaftlich behandeln, historisch, als ob sie schon vergangen, anatomisch, als ob sie schon Kadaver wären.« 194 – Ersetzt man, da man jetzt auf Weltmaßstäbliches geworfen ist, Bürgertum durch »Vereinigte Staaten von Amerika« (entschieden genug bürgerlich werfen die sich ja ins Schlachten) und Reaktion durch »Despotien der post- und neokolonialen Welt« (um ein fortschrittliches Regime handelt es sich ja nicht nur beim Iran und ähnlichen potentiellen Kriegsgegnern der USA in keinem Sinn, den Engels verständlich gefunden hätte, auch Saddam Hussein, als Laizist und Befreiungsnationalist zweifellos paraprogressiv, ist kein Freund der geschichtlichen Linken gewesen und soll mit eigenen Händen irakische Kommunisten getötet haben), dann funktioniert die Perspektive nach wie vor – nur die Prämisse, nämlich daß es eine Partei der Arbeiter gebe (und interessanterweise redet ja Reemtsmas langer Aufsatz von Gruppen, Individuen und anderen politischen Entitäten ausführlich genug, von Klassen aber nicht), gehört zu den Dingen, die – lokal wie weltmaßstäblich – nicht nur von Reemtsma behandelt werden können, »als wären sie schon vergangen«. Anatomisch war das, was sterben mußte, um eine der von Engels vertretenen konträre Sicht der Dinge so plausibel zu machen, wie sie bei Reemtsma war, der linke Internationalismus, von dem wir im dritten Kapitel gehandelt haben. Er starb aber nicht als Idee, weil er so auch nicht hätte gelebt haben können, sondern als eine Praxis, die einmal »Komintern« geheißen hatte, als Dritte Internationale, die zwar formell in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern nicht mehr bestand, weil Stalin sie schon 1943 nominell dem Bündnis mit den Westmächten in der Anti-Hitler-Koalition geopfert hatte (diese Erfüllung der Forderung der kapitalistischen Staaten, die Sowjetunion möge auf ihre potentiell bewaffneten Botschafter verzichten, war nicht die erste Konzession, die der weltstrategisch entgegen aller Propaganda von der Roten Gefahr stets aus der Defensive agierende Bolschewismus der kapitalistischen Einkreisung und der Rückständigkeit der russischen Produktivkraftentwicklung hatte machen müssen; mit dem Frieden von Brest-Litowsk hatte das angefangen und mit nichtmilitärischen Maßnahmen wie der NÖP bis tief in die sogenannte Innenpolitik gereicht).
Ganz wie Reemtsma schreibt, war mit den letzten Ausläufern der Dritten auch gleich die Vierte Internationale zur Disposition gestellt, samt allen Ansätzen zu einer solchen, denn Trotzkis Versuch, zu bewahren, was er für die reine Flamme der Revolution gehalten hatte, orientierte sich bis in alle Schismata – zwischen Mandelianern, Tony-Cliff-Anhängern, Pablisten und was sich sonst noch in Trotzkis Namen schlug – immer an der Idee, die Sowjetunion sei ein »degenerierter Arbeiterstaat«, den irgendwer und irgendwas, und sei es Gorbatschow (dies vertrat ernsthaft eine Weile der sonst so wache Ernest Mandel) oder ein (dann irgendwie verschämt zu unterstützender) Angriff aus dem Westen (beides wurde kurzfristig auch von Maos westlichen Gläubigen gewähnt), wieder aufs rechte Gleis zurückdrängen mochte.
Was nun aber immer der Dritten und der Vierten Internationale widerfahren sein mag, es war etwas ganz anderes
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