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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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unterschätzende logische und praktische Schwierigkeiten bereitet. Die Liberalen folgen, wenn sie das Erbrecht verteidigen, eher einer Not als einer Neigung, viele von ihnen sind aufrichtig meritokratisch eingestellt, aber die beiden einzigen Alternativen zum (in geschichtlich verbürgten Quellen über die allergrößte aufgezeichnete Zeit hin patriarchalisch geregelten) Weiterreichen von Eigentum sowohl in Gebrauchsgütern wie in Produktionsmitteln und Titeln auf beide sind für die Klassengesellschaft beinah tödlich: Wenn das, was der Vater besessen hat, nicht auf den Sohn übergeht, dann reißt diesen Besitz entweder 1.) der Stärkere sensu Eugen Dühring an sich, womit wir in jenen Krieg aller gegen alle zurückfielen, den nicht erst der Staat oder die Arbeitsteilung, sondern schon die früheste, nach Altersklassen und Geschlechtern geschiedene Proto-Klassengesellschaft überwunden hat – dann könnte man zwar, nach Faustrechtsentscheiden gestaffelt, weiterhin von Klassen sprechen (etwa von Gewichtsklassen, wie beim Boxen), aber wohl nicht mehr von Gesellschaft. Alternativ hierzu kann der Besitz nur noch 2.) dem Gemeineigentum zufallen, und dann haben wir es zwar mit einer Gesellschaft zu tun, kaum mehr jedoch mit Klassen (das quasi-archäologische, nur wenige und schlecht gesicherte Tatsächlichkeiten abdeckende Wort »Urkommunismus« gehört hierher).
     
    Daß das Erbrecht aufgerichtet und bis in den entfesseltsten Konkurrenzkapitalismus vom ideellen Gesamtkapitalisten »Staat« verteidigt wurde, um diese beiden Kippschicksale des Ganzen zu vermeiden, heißt aber nicht, daß beliebige Steigerungen sozialer Mobilität und Konnektivität, die das Erbrecht unterminieren, der Klassengesellschaft notwendig immer den Garaus machen – daß also etwa der Feudalismus mit massenhaften Nobilitierungen oder die Sklaverei über umfangreiche Freikäufe abzuschaffen gewesen wären – jedenfalls dann nicht, wenn man dem Klassenverständnis von Marx und Engels folgt, wie wir es oben von Lenin haben darlegen lassen. »Wir heiraten alle reich«, das kapitalismusimmanente Analogon der Massennobilitierung und des Freikaufs en gros , ist außer einem hübschen satirischen Einfall vor allem eine schöne Eselsbrücke für alle, die sich nicht merken können, was »Reformismus« bedeuten soll. Den zu verabscheuen sind alle, die von der Realität der Klassenkämpfe ausgehen, bekanntlich von der Geschichte (und ihrer brillanten Auslegerin Rosa Luxemburg) seit über hundert Jahren verpflichtet. Grund hierfür ist aber nicht, wie nun wieder der Verfassungsschutz zu glauben vereidigt ist, daß die Klassenkampfzuständigen ohne Explosionen nicht leben mögen, während die Gläubigen des Reformismus wahre Lämmer sind, sondern weil die Kernidee des Reformismus allen potentiellen Weltverbesserern a priori nahelegt, die Existenzbedingungen der Klassengesellschaften als solche zufrieden zu lassen und lieber nur ihre brenzligsten aversiven Folgen glattzubügeln.
     
    In Wahrheit lag das, was die Faschisten (und selbst die kaiserlichen Japaner Mitte des letzten Jahrhunderts) in ihren jeweiligen Herrschaftsbereichen mit den Klassen anfingen, viel näher an etwas, das mit Recht »Umverteilung« (weniger vorhandener Güter als etwa Bildungsmöglichkeiten und anderer an die gesamtgesellschaftliche Produktivität gekoppelter Ressourcen) genannt werden dürfte als jeder andere Reformismus zwischen Bernstein und Keynes. Politisch hatte der Faschismus zur Klassengesellschaft, einer Sache, von welcher er nur den Begriff, nicht aber den von diesem bezeichneten Tatbestand loswerden wollte, ein wirres, eklektisches, opportunistisches Verhältnis – nur so ist es zu erklären, daß etwa zur Idee des Standes die allerunterschiedlichsten Vorstellungen in seinen ideologischen Qualmwolken herumdampften; daß man also beispielsweise bei Mussolini auf eine durchaus explizit ständische, ja irgendwo zwischen Adels-, nämlich Waffenträgerprivileg und rudimentärem Zunftwesen angesiedelte Neuordnung der Gesellschaft pochte, während ganz im Gegenteil dazu Hitler den Deutschen versprach, von Standesunterschieden solle fortan nicht mehr die Rede sein, weil das alles einer zukünftigen, eben in Züchtung begriffenen Herrenrasse unwürdiges altes Geraffel sei (Aly zitiert einen enthusiastischen Zeitzeugen des Sinnes, »daß die verhängnisvolle Zurücksetzung des Arbeiterstandes im Volksganzen beseitigt zu werden und einer Einheit aller Stände Platz zu machen

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