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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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produktiver Weise kooperieren, ja daß das ganze Wirtschafts- und Gesellschaftsgefüge, sogar der beide verklammernde Staat auseinanderbrächen, wenn sie es nicht täten, weil es sie nicht gäbe? Wären nicht, statt des leidigen Kampfes, ebenjene Bereiche zu betonen, theoretisch größerzuloben und praktisch zu streicheln, bis die menschengemachte Welt schließlich im teleologischen Einklang mit sich selber summt?).
     
    Was diese Sorte Fragestellung am Ende als Antwort aus dem alten Hut zieht, mit dem sie winkt, ist nicht die Abschaffung der Klassen durch Veränderung des gesamten Produktionsgeschehens, das ihnen ihre Plätze zuweist, sondern ihre Versöhnung, die dieses Geschehen auf magische Weise unberührt läßt und nur durch eine Reihe von Verträgen (die sozialpartnerschaftliche Variante) oder Dekreten (die dirigistisch-autoritäre) so weit humanisiert, daß sich die von Marx und Engels den Klassenunterschieden angelasteten Übel als unvorteilhafte Exzesse von »Machtmißbrauch«, »Gier« und anderen Einzeltäterentgleisungen entpuppen, die vom soliden Fundament beispielsweise der Marktwirtschaft ohne Schaden abgetragen werden können.
    Die Politik, die solchen Vorgaben für gewöhnlich folgt, ist eng an nationalstaatliche Rahmen gebunden und tritt nach innen nivellierend (das Stichwort »Sozialpartner« fiel schon), nach außen mitunter aggressiv konkurrenzberauscht auf (die Standortlehre der Volkswirtschaftler von New Labour und ihrer Schröderschen Trittbrettfahrer verlangte von den Klassen, die sie nicht so nannte, eine schier maoistische Ultrasolidarität, man sei als armes Europa nämlich allseits raubtierumstellt, China, Japan, Rabatz im Innern war Landesverrat).
     
    »Politik für alle Klassen«, auch wenn sie nicht so genannt wird, vertreten heute vornehmlich Menschen, die Keynes gelesen haben, Roosevelts »New Deal« bewundern oder in den siebziger Jahren gern in Schweden waren; die radikalste Spielart dieser Politik aber wurde im zwanzigsten Jahrhundert vom Faschismus mobilisiert – bei Hitler hieß das Kuriosum »Volksgemeinschaft«, bei Mussolini »democrazia totalitaria« (und wiederum Hitlers liebster Wirtschaftsweiser, Hjalmar Schacht, sprach aus analogen Erwägungen davon, der Nationalsozialismus sei »die wahre Demokratie«).
    Der Historiker Götz Aly hat, um einige Folgerungen zu untermauern, die man nicht alle teilen muß, darauf hingewiesen, daß die »Mehrheitsfähigkeit« (Adorno spricht im »Jargon der Eigentlichkeit« angelegentlich bitter ironisch von »erklecklichen Majoritäten«) des Faschismus sich in sehr großem Umfang vom ideologisch ausgebauten Antiklassenkampfaffekt herschrieb.
    »In der Tendenz brach der Begriff Rasse den Begriff Klasse« 7  – was wie eine begriffsrealistische Spielregeländerung formuliert ist, bedeutet konkret antijüdische Pogrome, Raub, systematischen Mord samt zahlreichen, etwa unter »Arisierung« verbuchten innenpolitischen Nachahmungen des ungleichen Tauschs, den die Imperialismustheorie kühl »koloniale Extraprofite« nennt; während Kleinbürgertum, Arbeiterschaft und andere nichtbesitzende Großgruppen eine »Epoche besonders schneller Veränderung, sozialer Umschichtung, breiter Aufwärtsmobilisierung, oft auch hoher individueller Verantwortung« 8 erlebten, einschließlich der Aussicht auf einen sozialen Kosmos, »in dem die Klassenposition zum Zeitpunkt der Geburt möglichst wenig den Lebensweg und die spätere gesellschaftliche Anerkennung eines Menschen festlegen sollte« 9 – ein Versprechen, zu dessen angemessener Würdigung es sich empfiehlt, im Gedächtnis zu bewahren, daß die marxistische Klassendefinition, die wir Lenin in ihrer verbindlichen Form haben geben lassen, die Klassen zunächst eben nicht als Blutszusammenhänge konzipiert, in dem das, was zum Zeitpunkt der Geburt das Entscheidende ist, weil ein Säugling sich noch keine soziale Rolle erarbeitet haben kann, auch späterhin entscheidend bleibt, sondern als Stellung in bestimmten, historisch genauer zu bestimmenden Produktionszusammenhängen.
     
    Historisch zwar wurden und werden übers Erbrecht auch im Kapitalismus, der am wenigsten sippengefesselten Herrschaftsweise, die dem Marxismus zur Untersuchung vorlag, klassenbedingte Mobilitätseinschränkungen und andere Zwangsattribute von den Eltern auf die Kinder weitergegeben, weil eine prinzipiell denkbare Trennung von Eigentumsrecht und Erbrecht auch den Verfechtern der Losung »Freie Bahn den Tüchtigen« nicht zu

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