Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
Vom Netzwerk:
Klassen bezeichnet man große Menschengruppen, die sich voneinander unterscheiden nach ihrem Platz in einem geschichtlich bestimmten System der gesellschaftlichen Produktion, nach ihrem (größtenteils in Gesetzen fixierten und formulierten) Verhältnis zu den Produktionsmitteln, nach ihrer Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und folglich nach der Art der Erlangung und der Größe des Anteils am gesellschaftlichen Reichtum, über den sie verfügen. Klassen sind Gruppen von Menschen, von denen die eine sich die Arbeit der anderen aneignen kann infolge der Verschiedenheit ihres Platzes in einem bestimmten System der gesellschaftlichen Wirtschaft.« 5
    Der »gesellschaftliche Reichtum« steht ein bißchen mißverständlich da, gemeint ist das Mehrprodukt (im Kapitalismus, nach Marxschem Wortgebrauch: der Mehrwert).
     
    Daß ein Aufriß des Gesellschaftlichen, der es in Klassen teilt, die Verhältnisse antagonistisch denkt, agonal (die Klassiker der Richtung sagen vornehmer: dialektisch), also auch auf eine Weise politisch, die im Fernsehen bloß bei Parteienstreit und Staatsgeschäften Anwendung findet, fällt Leuten, denen so etwas Sorgen macht, schnell auf. Man kann in der vom Klassenbild nahegelegten besonderen Art, die Hinterlassenschaften von Hobbes und Machiavelli parasoziologische Früchte tragen zu lassen, Aufreizung wittern, mutwillig gesäte Zwietracht. Der australische Philosoph David Stove, kein alberner Mensch, geht so weit, in jeglichem Nachdenken über die Spannung zwischen idealem Egalitätsdenken und realistischer Klassenbetrachtung eine phantastische Überhöhung der Blutrünstigkeit Zukurzgekommener zu vermuten – Baboeuf, Marx, Bakunin, Lenin sind ihm böse Rumpelstilzchen, die ihre privaten Enttäuschungen am zivilen Leben der Mehrheit haben rächen wollen. Man kann sich der Wertung auch enthalten und etwa nüchtern vermerken, daß der Kampf im Namen einer Klasse ähnlich wie der für eine Religion, ein Königshaus, eine (per Beobachtung oder schlicht per Irrsinn von anderen unterschiedene) Rasse historisch zu den Gewaltgründen zählt, die Propagandisten beweglicher Haßheere in die Menge geworfen haben (dann landet man meistens bei einer Art Synthese aus Hannah Arendts Totalitarismusforschung und Dühringscher Gewalttheorie, wie sie beispielsweise der amerikanische Schriftsteller William T. Vollmann in seinem sozialkatastrophentheoretischen Hauptwerk Rising Up and Rising Down unternommen hat).
     
    Das Problem an solchen ethisch wertenden (Stove) oder historisch wertneutralen (Vollmann) Einschätzungen der Implikationen des Klassenbegriffs ist, daß diejenigen, die sie entfalten, dabei in nahezu sämtlichen beobachtbaren Fällen wie unter einem Bann stehend mit mechanischer Zwangsläufigkeit dazu neigen, die spezifische Differenz des Feldzeichens »Klasse« gegenüber anderen antagonistischen oder sonstwie agonalen Trennschärfemaschinen bei der Untersuchung von Gemeinwesen und ihren Vergesellschaftungsweisen aus dem Blick zu verlieren.
    Zweifellos intelligente Personen wie Schmitt, Stove oder Vollmann teilen diesen unterbestimmten Zugriff aufs Klassenkonzept peinlicherweise ausgerechnet mit dem sagenumwobenen »Linken Flügel« der NSDAP um die Brüder Strasser und den SA-Chef Röhm, die lange Zeit bemüht waren, den Einfluß der Rassenlehre Alfred Rosenbergs auf die braune Bewegung, so gut es ging, zurückzudrängen, weil ihrer Ansicht nach sowohl Rassen- wie Klassentheorien das völkische Bündnis von Mob und Elite gefährdeten, den Burgfrieden störten, der das ersehnte Reich nach innen charakterisieren sollte – »einseitig«, so erfährt man aus Otto Strassers Erinnerungen, sei Rosenbergs Rassenlehre gewesen, und man habe den Führer wiederholt davor gewarnt, nicht »alle Wandlungen im Kulturellen, Staatlichen und Wirtschaftlichen«, wie in Rosenbergs Mythus des 20. Jahrhunderts geschehen, auf Rassenkämpfe zurückzuführen, »wie es Marx mit seiner Klassenkampftheorie getan hat«. 6 Man muß, lehrt der Fall, gar kein liberaler oder libertärer Demokrat oder cäsaristischer Staatsharmonisierer wie Stove, Vollmann oder Schmitt sein, um Lehren nach dem einzigen Kriterium zusammenzugruppieren, in ihnen sei der Zwist Motor des sozialen Geschehens und seiner Veränderung – dumpf rebellische und gleichzeitig völkisch autoritäre Faschisten der Kampfzeit ziehen da dieselbe Schublade auf, und das durchaus konsequent: Allzu viele Unterscheidungen, sowohl falsifizierbare wie

Weitere Kostenlose Bücher