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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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konstituieren und in Gang halten, ob sie mit entsprechenden Steckern neuerer Lehren über dies und das zu verbinden sind und wie genau, sondern eher, ob das, was derzeit von Nichtbesitzenden, soweit sie noch zur Produktionssphäre gehören, erwirtschaftet wird, überhaupt Mehrwert ist, inwieweit Arbeit heute noch das Adjektiv »produktiv« verdient, ob die beiden Klassen, zwischen denen sich das Drama abspielt, größer, kleiner oder anders zusammengesetzt sind als zu Zeiten der Begriffsschöpfer. Dabei wird man die alten Namen wiederfinden, die heute selbst denen, die Marx und Engels bewundern, vielfach zu peinlich sind, als daß sie noch ausgesprochen oder hingeschrieben würden – Engels in den Grundsätzen des Kommunismus :
    »Das Proletariat ist diejenige Klasse der Gesellschaft, welche ihren Lebensunterhalt einzig und allein aus dem Verkauf ihrer Arbeit und nicht aus dem Profit irgendeines Kapitals zieht; deren Wohl und Wehe, deren Leben und Tod, deren ganze Existenz von der Nachfrage nach Arbeit, also von dem Wechsel der guten und schlechten Geschäftszeiten, von den Schwankungen einer zügellosen Konkurrenz abhängt.« 11
    Selbst die der alten Sache Treuesten werden einsehen, daß sich da einiges geändert hat. Gibt es noch Leute, die man Proletarier nennen darf, ohne sich lächerlich zu machen (vor der Wirklichkeit natürlich, die Fakultäten, Blätter und Sites sind nicht das Problem)? Die etymologisch-genealogische Geschichte von den Kinderreichen, die in der ursprünglichen Akkumulation gleichsam gezüchtet wurden, weil das Kapital Arbeitskräfte zwar nicht um jeden Preis (den galt es bald zu drücken), aber doch mit allen Mitteln an sich ziehen und binden mußte, ist bekannt genug. Menschenraub vom Land und vom Rand, Enteignung der Kleinproduzenten, Durchsetzung einer üblen Armengesetzgebung, die erfolgreich sicherstellte, daß es denen, die nicht arbeiten, nicht nur malerisch schlechter geht als den anderen, sondern sie geradezu kaum überleben konnten – das kann man, seit die Verwendung von Arbeitslosen-Populationen zu Regulationszwecken, d.h. zum Zweck des Abflensens und Ausbrennens von »Anspruchsdenken« bei den Beschäftigten erfunden wurde, nur nostalgisch sehen. Wer zieht den Unterhalt noch aus dem Verkauf der Arbeitskraft? Die Antwort hängt, eine erste Andeutung für Dinge, die wir erst später behandeln werden, davon ab, was man unter Arbeitskraft versteht. Gleichgeblieben ist aber, daß nicht eben die Mehrheit vom Profit eines Kapitalbesitzes, aus Grundrente, echten (statt spielgeldartig als Wechsel auf den Traum vom Mitmischendürfen ausgestellten) Aktien lebt – die vielen, die das niemals tun werden, nennen wir besitzlos, obwohl die meisten irgendwelche iPods, Bahncards und Haargels haben. Besitz im relevanten Sinn ist, was unabhängig macht. Die Schwelle dafür ist gestiegen: Wer früher hatte, was heute Abhängige haben, war längst nicht mehr abhängig (dahinter steckt ein Produktivitätszuwachs: Der Vorgang war der vom Kapital ermöglichten Verwissenschaftlichung der gesamten Gütererzeugung spätestens von der Manufaktur an unverlierbar implizit) . Das Proletariat kommt nicht mehr vor; die Proletarisierung aber, die anfing, als lebendige Arbeit in die Fabriken gesaugt wurde, verschuldete oder ganz ruinierte Handwerker sich in fremde Dienste stellten, Bauern Arbeiter wurden, die Proletarisierung als Vorgang, der Leute zu Objekten eines Produktions- und Verteilungsgeschehens macht, das ihnen eben noch zu versprechen schien, ihre Subjektivität ins Unendliche steigern zu können, die Proletarisierung als das ständige Absinken aus der Lebensplanung ins herumgeschmissene Leben bis zur Entsorgung durchs Begräbnisinstitut hält an, beschleunigt sich sogar; vor fünf Minuten selbständige, unerpreßbare Berufe wie der niedergelassene Arzt gehören auf einmal Banken, die, wenn ihre Luftgebäude einstürzen, die Halbgötter im weißen Kittel drunter begraben – die Zahl der Menschen, die nichts haben, was sie davor schützt, das Wirtschaften, das doch von Menschen betrieben wird, als eine Art Riesenwetter, Meerestoben, Sonnenwind zu erleiden statt zu gestalten, wächst und wächst, aber sie finden sich nicht mehr zu etwas zusammen, das genügend Stolz besitzt, einen Namen einzufordern, und sei’s den immer schon trotzigen, den Marx und Engels ihr gaben.
    Die Erschaffung der besonderen Sorte Nichtbesitzender, die den Kapitalismus da prägt, wo er ausgebadet wird, fand, wir haben schon

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