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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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schien« 10 ). Altes Geraffel indes, blutig tugendtümliches Rittergehabe aus dem unbehauensten Mittelalter inbegriffen, paßte nun wieder Himmler und seiner SS hervorragend in den psychotischen Kram, so daß man Ordensburgen baute, aber zugleich noch archaischeres, aus wieder ganz anderen sozialhistorischen Strata aufgeklaubtes Zeug phantasierte und wahrzumachen suchte, von Runenzauber übers Stammeswesen bis hin zur Rede von der Scholle, als befände man sich geschichtlich nicht in der entwickelten Warenproduktion, die einen Großteil ihrer Produzenten und Konsumenten über die Lohnarbeit vergesellschaftet und bei Laune hält, sondern in irgendeinem Fantasy-Irrenhaus kurz vor Einführung der Leibeigenschaft.
     
    Unter (je nachdem) Abschaffung oder Investitur von Ständen versteht der Nationalsozialismus oder der italienische fascismo weder Zerschlagung oder aber Wiederherstellung einer ständischen Welt im engeren Sinne – nämlich die Aufhebung oder Herbeiführung eines Zustands, in dem irgendwelche Warlords , die durch Geschlechtsadel von Geburt oder später, auf dem Weg zum Absolutismus, durch landesherrliche Verleihung zu Rechtstiteln wie Grundeigentum und Besteuerungsprivilegien gelangt sind, ihr Recht, Konflikte mit Gewalt zu entscheiden, an einen König delegieren und im Ernstfall dessen Territorialstaat als Militärkaste verteidigen – noch irgendein spätantikes, mittelalterliches oder absolutistisches Steuerbrimborium, sondern einfach eine Art fortlaufender emphatischer Ästhetisierung als mehr oder weniger unmittelbar imaginierter (und handfest durchgesetzter) Herrschaftsverhältnisse, die das spezifisch Moderne am Kapitalismus, die sit venia verbo Diskursivität, mehr oder weniger explizite Vertragsförmigkeit seiner Machtausübungsmodi, wieder abstreifen, weil zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden keine Verträge mehr nötig sind, da sie sich schon zusammenraufen werden, wenn artfremde Blutsauger (der reiche Jude) und fremdrassige Aufwiegler (der bolschewistische Jude) erst einmal aus dem Volkskörper ausgeschieden sind.
    Der ganze ekelhafte, schwärmerische und blutbesoffene Brei ist ein inszenatorisches Exsudat der »Politik für alle Klassen«, die sich ein allzugenaues Verständnis dessen, was Klassen überhaupt sind, eben nicht leisten kann, weil sonst wer merken müßte, daß sie der Versuch ist, die Frage der Zuteilung der Früchte des Reichtums von derjenigen seiner Hervorbringung taktisch zu trennen (und damit dann eben soviel Glück oder Pech hat, wie die Geschichte erlaubt: Ein angefangener oder ein gewonnener Krieg, in dessen Vor- und Umfeld begangene Räubereien großen Umfangs und die vorübergehende Freigiebigkeit einer herrschenden Klasse, die sich anderweitig fette Beute verspricht, helfen beim Klassenversöhnungstheater sehr; nachlassendes Schlachtenglück und Verteilungskämpfe bei schrumpfendem Beutevolumen dagegen sind dem Publikumserfolg hinderlich).
     
    All ihren elephantiasischen Drohkulissen in bildender Kunst und Architektur zum Trotz konnten die Faschismen jedenfalls mit der ruhigen Aufgeklärtheit der imitierten griechischen und lateinischen Antike nirgends mithalten – die Propagandisten der Alten wußten und sagten noch, daß die Vorzüge des jeweiligen Vollbürgerrechts auch in den Glanzzeiten der athenischen Demokratie und der römischen Republik davon zehrten, daß bei aller teilweise durchaus breiten Streuung des Besitzes zumindest ein Klassenunterschied keineswegs eingeebnet wurde, der zwischen Sklaven und Freien nämlich. Daß man das auch bei Hitler wußte und in die Planung vor allem des Ostfeldzugs einarbeitete, steht auf einem anderen Blatt (und kann nachgelesen werden etwa bei Reinhard Opitz in dessen großer Monographie über Europastrategien des deutschen Kapitals 1900-1945 ).
IV.
Lohnarbeit: Hexis und Praxis
    Die beiden Klassen, deren Beschaffenheit und Verhältnis Marxisten zu untersuchen pflegen, wenn sie den Kapitalismus kapieren wollen, sind erstens diejenige, die den Mehrwert erwirtschaftet, und zweitens diejenige, die ihn aneignet.
    Fragen muß man, wo man nach der Tragfähigkeit der Marxschen Kategorien fragt, daher nicht so sehr danach, wonach diverse strukturalistische, poststrukturalistische, von irgendwelchen Kommunikations- und anderen Theorien beeindruckte Auffrischungsversuche gefragt haben, nämlich wie die einzelnen termini technici der von Marx und Engels hinterlassenen Analyse- und Kritikmaschinen miteinander diese Maschinen

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