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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Dinge zugetraut. Andächtig lauscht das Publikum, wenn diese Berühmtheiten ihr von keiner Sachkenntnis getrübtes Urteil über die Auseinandersetzung von Kapitalismus und Sozialismus zum besten geben. Doch der Umstand, daß der Mathematiker Bertrand Russell, der Theaterschriftsteller Bernard Shaw, der Romanschriftsteller H.G. Wells, der Political-Science-Essayist Harold Laski rückhaltlos für den Sozialismus eintreten, beweist nur, daß diese Männer unter dem Einfluß der die Mehrheit ihrer Zeitgenossen beherrschenden Vorurteile stehen. Das Urteil, das ein Mathematiker, ein Bakteriologe oder ein Künstler über Probleme der wirtschaftlichen Kooperation abgibt, hat keine andere Bedeutung als das Urteil, das ein Blinder über Malerei fällt«. 226
    Das launige Wort zum Sonntag stammt von Ludwig von Mises, der besonders bei seiner Geringschätzung der Mathematiker für einen Augenblick beiseite zu lassen weiß, daß er und seinesgleichen mit Vorliebe mathematisch zu beweisen streben, daß der Sozialismus nicht geht. Der sachliche Gehalt dieser in erstaunlicher Paarung zugleich populistischen (gegen Eierköpfe und Schönschwätzer mit Abitur, Stars und andere Parasiten) wie elitären (Verachtung des Publikums jener Zelebritäten als unwissende Masse, Pochen auf dem Fachmannsprivileg) Predigt (die es auch eleganter gibt: Heideggers Sprüche gegen »das Man« in Sein und Zeit sagen im Prinzip dasselbe über jene »die Mehrheit der Zeitgenossen beherrschenden Vorurteile«, schmecken aber weit weniger nach Provinzzeitungsleitartikel) ist kein sonderlich geheimnisvoller: Gegessen wird, was auf den Tisch, nämlich den Markt kommt, nur Experten wissen, wie es gekocht wurde, und wer sich nicht durch die Geschichte der Volkswirtschaftsfrömmigkeit (einer Weisheitslehre, die in Gestalt eines Begriffsrevolutionärs namens Paul Romer erst vor kurzem, Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, zum soundsovielten Mal herausgefunden hat, daß Verwissenschaftlichung von Erzeugung und Handel und sonstige Tatsachen der modisch knowledge economy genannten, kapitalisierbaren Sektoren von Hayeks mysteriösen Menschheitswissenschaften genau die akkumulationsförderlichen, verkehrsformenprägenden Faktoren der wirtschaftlichen Entwicklung sind, für deren hinreichende Aufschlüsselung Marx in den Grundrissen drei, vier Absätze braucht) samt Klassik, Neoklassik, Grenznutzentheorie, Ordoliberalismus, Spieltheorie und Humpelpumpel gefressen hat, ist nicht berechtigt, auch nur festzustellen, daß der Vorstand der Deutschen Bahn nicht weiß, daß man Leute im Sommer nicht in den Waggons von Fernzügen backen darf, im Winter nicht auf verschneiter Strecke stehenlassen muß, wenn man ein bißchen weniger knapp plant, und wer da sagt, der privatwirtschaftliche Weg sei jedenfalls keine Garantie dafür, daß die im westdeutschen Gemeinschaftskundeunterricht circa 1985 als Horrorsymptome der Planwirtschaft gegeißelten Gebrauchswertmängel von Gütern nicht auch im Schluderkapitalismus der Monopolzeit vorkommen können, ist jedenfalls ein Ketzer und vielleicht sogar ein Romanschriftsteller. Es geht nicht um Wissen, es geht um Glauben: Man soll schlucken, daß Märkte effektiv sind, daß sie im Durchschnitt ein Räumungsgleichgewicht halten, das nie irgendwo beobachtet wurde, daß Geld entweder keine Rolle spielt oder sich nach Mengengezeiten in Angebot und Nachfrage, Inflation und Deflation so verhält, wie die Monetaristen lehren – eine Theorie, die seit ihrer Erfindung und dem Versuch, sich als Agenturen des volkswirtschaftlichen Interesses und der Marktbewahrung verstehender Regierungen von den USA über die Bundesrepublik bis Japan, eine Zinspolitik nach dieser Vorgabe zu arrangieren, mehr Augenschein gegen sich hat als die abwegigsten Erwartungen esoterischer Sektierer, und an der dennoch eisern festgehalten wird, durch die schlimmsten Engpässe hindurch, weil sie zwar keine Wahrheit ausdrückt, aber Interessen bedient –, daß rabulistische Lehren den Inbegriff von Hayeks interpersoneller Klabauterei zutreffend beschreiben, denen zufolge es so etwas wie Arbeitslosigkeit gar nicht geben dürfte, und daß jedesmal, wenn alle diese Wahnvorstellungen ihre Fadenscheinigkeit wieder an der Wirklichkeit Schiffbruch erleiden sehen, wieder irgendeine Intervention lästiger Staaten, Demokratien, Verwaltungen, kurz: öffentlicher Einrichtungen, die zu privatisieren man versäumt hat, die Schuld trägt. Die Manichäer waren Opportunisten dagegen; keine Nachricht

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