Der Implex
nicht so geheimnisvoll, wie ihre einschüchternde Kanzelapodiktik wähnen machen will – die Philosophiererei übers Wissen naturalisiert einfach das kapitalistische Betriebsgeheimnis; das meinen wir durchaus wörtlich: Ein System mit der Unerlangbarkeit von Wissen übers Ganze zu rechtfertigen, das aus der Absperrung von Wissen, seiner Zurichtung zum Herrschaftsprivileg privater Aneigner einen Standard gemacht hat, ist schon reichlich unverfroren – was Hayek hier aus der Grundbeschaffenheit des Sozialen folgern will, gibt ihm eine Gesellschaftsordnung vor, in der Patentrecht und Erziehungssystem sicherstellen, daß der Zugang zu Lernmitteln, Medikamentenzusammensetzungen, Quellcodes, Agrikulturtechnik aller (besonders aber biologischer) Art und anderem Gut, um das erst seit kurzem die »Access to Knowledge«- (A2K-)Bewegung kämpft, streng an den Besitz gekoppelt ist, der als juristische Form das Privateigentum an Produktionsmitteln selbst zu einer Zeit schützt, da dem Wort »privat« durch die Sammlung von Einzelpersonen in Aktien- und anderen Anlageformen zum Zwecke der Bündelung, Konzentration und Zentralisation des Kapitals jeder noch mit dem individuellen Draufgängertum des Hochliberalismus abzugleichende Sinn genommen ist.
Die Leute wissen nur wenig und werden nie mehr wissen; das Kapital weiß alles und muß das auch; wer an beidem rütteln wollte, wird sich einen Bruch heben: Das Argument steht schon in den Schriften Hayeks und Mises’, mehr noch in denen ihrer Nachbeterinnen und Adepten nackt und bloß da; daß in Zeiten von Hochkonjunktur und annähernder Vollbeschäftigung vergleichsweise winziger Lokalepochen während des Kalten Krieges zusätzlich zu dieser Wissens-Marktscholastik auch noch empirische oder empiroide Argumente dafür kursierten, die mißliche Wissensverteilung der Marktwirtschaften möglichst unangetastet zu lassen, nämlich daß in einer derart eingerichteten Welt gerade die Abhängigen am allerungeschmälertsten vom Genie der Wissenden, Schaffenden, Machenden, der »Unternehmerpersönlichkeiten« von Wissenschaft, Technik, Wirtschaft profitieren sollten, ist inzwischen historisches Kuriosum, man hört es nicht mehr oft, seit der Niederlage und Selbstauflösung des roten Ostens hat es sich aus dem »interpersonellen Prozeß« der prokapitalistischen Propaganda davongemacht wie ein Dieb in der Nacht; die Generation, die noch den Systemkonflikt kennt, weiß sehr wohl, daß rauhere Zeiten angebrochen sind und das System, das Hayek heiligt, sich inzwischen wesentlich weniger wohltätig ausnimmt, als es aus strategisch-taktisch-kosmetischen Gründen ein paar Generationen lang immer wieder (bei Roosevelt im Zeichen des »New Deal«, beim Vietnambombardierer Lyndon B. Johnson in dem der »Great Society«, im sozialliberalen Schweden oder Westdeutschland, aber auch bei »Kraft durch Freude«) ausgesehen haben mag.
Wie jede organisierte Religion kennt auch das, woran Hayek glaubt und die Menschheit in Zusammenarbeit mit anderen Priestern seines Zuschnitts glauben machen mag, den Unterschied zwischen einerseits den Laien und Lämmern, die keinen Schimmer haben und auch keinen haben müssen, so gescheit sie im Alltagsleben sonst sein mögen, und dem Klerus, der sich mit den Arkana auskennt. Wie einige der erfolgreichsten Kirchen aller Zeiten aber verkaufen die Priester dieses Elitencredo, wenn dies opportun erscheint, zugleich als anti-elitär, »rechter Populismus«, wie man das heute nennt, war schon für zum Kreuzzug blasende Päpste das Mittel der Wahl, das Bündnis zwischen Mob und Elite aber ist der ernsthaften Reaktion in Geschichtsabschnitten formeller Demokratie oder völkischer Diktatur absolut unverzichtbar; er bewegt sich darin intellektuell und demagogisch wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser und keilt sogar noch gegen die Götter der Heiden (vor Zeus und ähnlichem wird ja jeder christliche Dorfgeistliche zum respektlosesten Aufklärer unter der Sonne):
»Die alten Griechen und Römer dachten, daß die Gottheit die Dichter inspiriert. Der Dichter galt ihnen als Seher, Prophet und Verkünder des Gotteswortes, wenn sie sich zur Stützung dieser Behauptung auf die Verse eines Dichters berufen könnten, so galt ihnen das als autoritärer Beweis. Dieser Glaube ist über die Humanisten auf uns gekommen und erweitert worden. Nicht nur dem Dichter und dem Schriftsteller, auch dem Naturforscher und selbst dem Kinoschauspieler wird heute unfehlbares Urteil über alle
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