Der Implex
Konzept der »Triangulation« von drei Arten, Intuitionen darüber, was es gibt und was nicht, zu erfahren: Eigenpsychisches (»subjektiv«), empathiemodellierend Soziales (»intersubjektiv«) und ohne Subjektvermutung Beobachtetes (»objektiv«) spielen danach ineinander. Wie es mittlerweile mehr als eine (das war über lange Epochen hin die euklidische) Geometrie gibt, können mehrere Epistemologien und Ontologien konstruiert werden, wenn man dabei im Sinn behält, daß man sie so formulieren sollte, daß zwar nicht einzelne Daten, wohl aber neu auftretende Sorten von Arten dazu zwingen können, sie zu modifizieren oder ganz aufzugeben (ein nützliches Schiedsrichterkriterium hat bekanntlich Ockham hinterlassen; andere ergeben sich aus den Gegenstandsbereichen der Einzelwissenschaften). Sich auf eine Ontologie und eine Erkenntnistheorie festzulegen – im Sinne der Brandomschen Idee vom deontischen Status –, ist kein Fehler; diese Festlegung aber auf eine Weise aufzufassen, die den Wissenschaften vorschreiben will, was sie noch entdecken können sollen und was nicht, ist garantiert einer und hat sich historisch immer wieder als ein besonders schwerer blamiert; nach dem traurigen Vorbild mittelalterlicher Akademiker, die, mit irgendeinem diesseitigen Fund konfrontiert, erst einmal in der Bibel, bei Aristoteles und Thomas nachschlugen, ob es das geben konnte, und falls sie’s dort nicht fanden, die Existenz verneinten. Solche Selbstbehinderungen hemmen dann mehr, als sie ordnen, wie auf allergrellste Art die Folgen der aus dem Diamat herausgedokterten Lehren des Lyssenko für die sowjetische Genetik und Agro-Industrie belegen mögen.
Heisenberg und Bohr versprechen denen, die an sie glauben, bekanntlich die Erlösung von solchen Geißeln der Onto- und Epistemologie, indem sie beide Denkrichtungen ganz über Bord werfen, ein klassischer Fall von Kind-mit-dem-Bade: Unsere Gleichungen, erklären sie (mehr hat es mit der ganzen legendenumrankten »Kopenhagener Deutung« nicht auf sich), sagen nicht, wie die Natur ist, sondern nur, was wir darüber sagen können.
Man denke – eine typische Tautologie der oben als unerläßliche Prämisse für den Neopyrrhonismus ausgewiesenen Sorte, hier gebraucht als Waffenstillstandslinie zwischen Metaphysik und Skepsis. Niemand wird Menschen, die sich den ganzen Tag im Unanschaulichsten bewegen, einen Vorwurf daraus machen, daß sie sich mit Theoremen wie dem aus Kopenhagen ein wenig Luft für den Fortgang ihrer Erkundungen verschaffen wollen gegenüber einer Öffentlichkeit, die immer gleich Konsequenzen fürs Weltbild einfordert (eine unstillbare Neugier, solange die oben beschriebene soziale Großwetterlage den Gedanken nahelegt, vielleicht ginge es allen besser, wenn man das Weltbild gegen ein richtigeres eintauschen würde). Elementarteilchen mit Welleneigenschaften stellen die Punktmechanik, die der Teilchenspur zu jeder Zeit einen kompletten Satz klassischer Meßgrößen wie Ort, Impuls und so weiter zuschreiben muß, vor eine Herausforderung, die Unbestimmtheit schmeißt sie an einer wichtigen Stelle (bei bestimmten Größenpaaren nämlich) so gut wie gänzlich über den Haufen – wenn man dann sagt, das Elektron »habe keine Bahn« oder »existiere eigentlich nicht«, kann das den Atempauseneffekt für eine genauere (und inzwischen, rund hundert Jahre später, bei aller Fortschrittsgeschwindigkeit des zwanzigsten Jahrhunderts in diesen Dingen ja immer noch nicht abgeschlossene) Erkundung der Implikationen der neuen Theorie verschaffen und ist also nicht umstandslos zu identifizieren mit dem Vorschlag des Kardinals Bellarmin an Galilei, jener solle seine Planetenbewegungsüberlegungen als »bloße Hypothesen« in den Raum stellen, dann gebe es mit den geschworenen Ptolemäern der Kirche keine Probleme mehr. Aber die Skala ist gleitend, wo die Wissenschaft eine Metaphysik beeiden, einer abschwören soll oder selbst präventiv eine vorschlägt – daß man sich zeitweise in Deutschland zwischen der modernen Physik und der »deutschen Physik« um Leute wie Lenard und andere Nazis »darauf einigte«, die vierte Dimension sei nur eine mathematische Hilfskonstruktion und gehöre jedenfalls nicht in die Weltanschauung, was immer letztere nun sonst so genau besage, war im Gegensatz zur Kopenhagener Deutung unbedingt eine Gewaltfolge, und in jedem Einzelfall zu prüfen, was denn nun der soziale Sinn metaphysischer oder antimetaphysischer Kanzelworte wissenschaftlicher
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