Der Implex
mittelalterlichen Pest-Epidemik die Aufklärung nicht in Europa, sondern in einem chinesischen Großreich stattfindet, gespeist in nicht geringem Ausmaß von Verfechterinnen und Verfechtern der Geschlechterfreiheit).
Als Plattform der Reflexion einer Interpenetration von Naturdeterminanten und Sozialem gehört, wollen wir sagen, die Frauenemanzipation beim homo sapiens nicht allein zu den (allemal kontingenten) historischen, sondern sogar zu den logischen Voraussetzungen jeder Vernunftgeschichte, geht ein in ihr anthropokritisches Fundament: Ohne Kritik an Sklaverei und ungeplanten Geschlechterverhältnissen keine Naturrechtsphase des politischen Denkens, ohne die keine Rolle des Bewußtseins im historischen Zusammenhang, ohne diese kein Begriff von Fortschritt, ohne den keine Aufklärung, ohne die keine politische Geltung für Vernunftbestimmungen.
Sind diese einmal angemeldet, bleibt der Weg zu einem tatsächlich von Menschen bewohnbaren Weg indes weiter steinig; schon weil an einzelnen Verbesserungen eben nur logisch, nicht historisch das Ganze hängt. Schriften aus der fraglichen umkämpften Zeit wie Marie de Gournays Egalité des hommes et des femmes von 1622 klingen, wenn man den spezifischen Kontext bei der Lektüre fallenläßt, schon im Titel nach einer Art Gemeinwesen, die darin nicht gewollt sind, weil sie seinerzeit nicht vorstellbar schienen: »Egalitär« in der geschlechterbezogenen Hauptfrage vertrug sich mit »elitär«, soweit es ums Restsoziale ging, die Argumentation lief nicht (wie wir das heute selbstverständlich fänden) republikanisch oder demokratisch, sondern über Autoritätsbeweise (etwa durch Aufzählung gekrönter weiblicher Häupter, die ihre Sache gut gemacht haben), Biblisches, Mythologisches, stets aus Chroniken oder anderer Literatur Entnommenes – die Schrift und die in ihr codierte, durchaus herrschende Zivilisationsauffassung bildeten eben einen geschützten Raum, das Elitäre eine Art schwer zerstörbares Gefäß fürs Egalitäre; das setzt sich noch fort bis in die Zeit der Französischen Revolution, selbst der Graf Mirabeau läßt im Erotika Biblion Ideen zur sexuellen Emanzipation sich an Bibelexegese entzünden; naturalistische, realistische, induktive Argumente, wenn sie auch nicht völlig fehlen können, wo Vernunft durchgesetzt werden soll, müssen doch bis ins späte neunzehnte Jahrhundert gegenüber Schriftgelehrten, eben humanistisch Gebildeten zurückstehen, nicht nur auf der Vernunftlinken, sondern auch bei der Aneignung von deren Erbe durch andere Arten von Zivilisationskritik zwischen Nietzsche und Foucault.
Echos finden sich bis in unsere Tage; semiotische, semantische, linguistische, diskursive Kritikarbeit reicht bei Leuten wie Butler, Gayatri Chakravorty Spivak oder Drucilla Cornell tief in das Gebiet, das man jetzt gender studies oder, erweitert um die Beschäftigung mit Sexualität im emphatisch nichtgenerativen Sinn, queer theory nennt.
Auch diesen Strang spinnt die poetische Spekulation in andere Richtungen weiter als die politisch überschaubare; die Sprachwissenschaftlerin Suzette Haden Elgin hat in ihrer Native Tongue -Trilogie das weibliche Subalterne buchstäblich zur Sprache gebracht, in einer eigenen »Frauensprache« namens »Láadan« nämlich, die das Potential solcher phantastischer Kunstsprachen zwischen Tolkiens Elbisch und dem Klingonisch der Star Trek -Welt für die feministische Utopistik nutzbar machen soll.
Bei Elgin aber, wie bei allen, die sich von Sapir/Whorf zu derartigen Spekulationen inspirieren lassen, zeichnet sich auch das Problem des im Sinne Hegels »schlechten Besonderen«, des tendenziellen sozialen Autismus partikularistisch angelegten Sprechens ab: Die Aufwertung und linguistische bis (eine neue Gesamthexis ausbildend) verkehrsformenprägende Stabilisierung eines Pols in einer bipolaren Unterdrückungsordnung kann diese Ordnung immer auch, statt sie nur zu belasten oder gar zu sprengen, insgesamt festigen, verschärfen, Ausgänge versperren. Auch wieder falsch wäre aber, daraus nun idealistisch abzuleiten, es wäre so etwas wie die Bipolarität selbst, woraus hier die Falle besteht, das Binäre und seine Inkommensurabilitäten. Egalitäres Denken, entsprechende Praxis sind ohne Dialektik nicht zu haben, das ist alles: Es gibt nichts, was vor mißbräuchlicher Verwendung in Beziehungen zwischen Menschen gefeit ist, jedes Heilmittel ist ein Werkzeug, also eine Waffe, einfach deshalb, weil Beziehungen zwischen
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