Der Implex
Menschen Dinge (also auch Begriffe) niemals als nur mit sich selbst identische Dinge konstituieren, sondern selbst als Beziehungen, als Verhältnis. Der Hammer ist nicht an sich ein Mordwerkzeug oder keins; er wird eins, wenn ich dich damit erschlage, unser Verhältnis als eins von Täter zu Opfer erst macht ein Tatwerkzeug aus dem Ding.
V.
Das Walgespür für Krill
Das aufgeklärte Verhältnis zur Geschlechterlage in seinem geschichtlichen Werden haben wir vor allem als eine Texttradition kennengelernt, die auch bei uns sichtbarer ist als die dazugehörige praktische, was seine unüberwindlichen Überlieferungsgründe hat. Geschichte als Kultur- und Debattengeschichte zu schreiben ist aber, wir wiederholen das, bei aller Idealismusanfälligkeit des Verfahrens in Fragen des Fortschritts nicht nur falsch, weil man diesen Fortschritt, wie wir ebenfalls gezeigt zu haben hoffen, zentral als Versuch begreifen muß, das soziale Leben unter die Bestimmungen richtiger Ideen zu setzen, die wiederum in Interpenetration von normativen und analytischen Inferenzketten zustandekommen.
Hebammen beiderlei Geschlechts, die dieses Kopfkind zur Welt bringen helfen, Autoren wie Bayle, der cartesianische Frühaufklärer François Poulain de la Barre, der eine ganze Sozialphilosophie auf der Diagnose der Herrschaft von Männern über Frauen und zum Zweck ihrer Brechung ersann, Thomas Paine, Diderot, Autorinnen wie Olympe de Gouges oder Anna Laetitia Barbauld hatten einen naheliegenden Grund, die Männerherrschaft als transhistorisches, seit dem Dunkel der Vorzeit anhaltendes Verhängnis zu beschreiben und daher innerhalb der Formation, die man später Patriarchat nennen sollte, keine besonderen Brüche anzuerkennen – sie rechneten damit, daß man das gesamte Phänomen, nicht nur einzelne seiner Nuancen, in absehbarer Zeit, nämlich im Zuge des Sieges der sozialnormativen Programmatik der Aufklärung, würde abstreifen können.
Als beides nicht geschah, haben andere Köpfe, die dem nämlichen Programm verpflichtet waren, nicht nur aus guten, sondern auch aus Trägheitsgründen und zur Absicherung ihrer eigenen fragilen Autorität (siehe oben: Nichts ist davor gefeit) eine ähnlich monolithische Beschreibung jener Herrschaft fortgeschrieben und beim Stiften von Übersicht über die Entwicklung der unglücklichen Geschlechtergeschichte lediglich soviel an immanenter Differenzierung gelten lassen, wie zur Beschreibung von Herrschaft als Trias von Unterdrückung, Ausgrenzung und Ausbeutung nötig ist (diese dreibeinige Statik von langlebigen Machtarchitekturen gehört selbst zu den Entdeckungen der Aufklärung, interne Akzentverschiebungen zwischen den dreien erklären die meisten Differenzen zwischen den Geschichtsauffassungen etwa von Locke, Hobbes, dem Entlarven des sogenannten Priestertrugs im Mondhof des französischen Materialismus und so fort. Über die spezifischen Herrschaftsmittel zwischen Gewalt, Erziehung, Propaganda und Herstellung von automatisiertem Selektionsdruck ist bei ihnen allen wenig gesagt, nicht einmal der Marxismus hat sich das vor Gramsci genauer angeschaut).
Die seit Adams und Evas Zeiten bis zum modernen Lohn- und Gehaltsgefälle zwischen Männern und Frauen im Globalkapitalismus durchgezogene Linie, die im von uns oben dargestellten Zusammenhang herauspräpariert wurde, hat nach Umstellung der Vergesellschaftungsnorm auf neuzeitliche, postfeudale, bürgerliche, sprich: kapitalistische Produktions- und Verkehrsformen eine Farbe bekommen, von der die frühe Querelle des Femmes nichts wissen konnte. Alle Arten von Herrschaft, die seit der Urhorde den sozialgezeugten Jammer der Menschheit ausmachen, sind mit Errichtung des Kapitalverhältnisses tiefgreifend transformiert worden: Die Herrschaft ist anonymisiert, kontraktifiziert, rutscht in Apparate, in die Abstraktion der Verwertungskette und kann es sich daher jetzt sogar gelegentlich leisten, behaupten zu lassen, es gebe sie gar nicht, während umgekehrt die dieser Herrschaft Ausgesetzten vom Gesamtzusammenhang, der sie zu Objekten der Herrschaft macht, als Subjekte gesetzt sind. Wenn die Informationsökonomien zwischen den Subjekten einerseits, den Subjekten und Objekten andererseits nicht mehr durch der Vernunft unzugängliche Hierarchien zuverlässig geordnet sind, muß das Individuum lernen, sie zu ordnen, wir erinnern an Paolo Dorias oben erwähnten Frauenerziehungsplan oder auch an Theodor Gottlieb von Hippels fein formulierte Idee von der
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