Der Implex
einerseits das weltweit einzige schien, in dem Potential für eine sozialistische Massenpartei im Sinne des Programms der beiden vermutet werden konnte, andererseits aber das industrielle und koloniale Weltmonopol des Staates, in dem dieses Proletariat daheim war, massive koloniale Extraprofite abwarf, die schon zu diesem frühen Zeitpunkt das Überlaufen nicht weniger Teile der organisierten Arbeiterschaft zu opportunistischen Arrangements mit der landeseigenen Bourgeoise begünstigten.
Selbst so vergleichsweise integre Figuren wie der Chartistenpolitiker Ernest Jones verfielen abwechselnd in Kopfträgheiten und strategisch-taktische Schwankungen.
Hätten sich die beiden Begründer des theoretischen Kommunismus bei ihren Bemühungen, einen praktischen durchzusetzen, von den Launen und Denkschwächen des Proletariats beeindrucken lassen, so hätte sich die Spur ihres Wirkens nach ein paar Jahren sang- und klanglos verloren. Statt dessen entwickelten sie Perspektiven, geschichtliche vor allem.
Casanova scheinen sie im entscheidenden Moment völlig abzugehen; es ist, als kennte die Partei, für die er spricht, kein Gedächtnis. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg hatte der sozialistische Internationalismus der organisierten französischen Kommunisten springlebendig ausgesehen: Die Pioniere der algerischen Emanzipation von der französischen Herrschaft, Leute wie Messali Hadj und Ferhat Abbas, erfuhren in den zwanziger Jahren nicht bloß propagandistische, sondern tatkräftig strategische und logistische Unterstützung von den Kadern der französischsprachigen Leninschen Avantgarde. Die wenig ruhmreiche Erklärung, die der KPF-Mann linksradikalen Studenten nicht öffentlich, aber doch hinter vorgehaltener Hand für den Schwenk anbot, und von der aus wir in diesem Kapitel der Interpenetration von historischen und politischen Makromaschinen auf die Spur kommen wollen, ist primär ein Reflex der Klemme, in welche sich der Weltkommunismus nach 1945 insgesamt gezwungen sah: Man war nicht mehr damit beschäftigt, ein Programm zu verwirklichen, sondern damit, Machtplattformen zu verteidigen, die man unter großen Opfern an Blut (und kleineren an kompromißverschobenen Inhalten) hatte erobern können. Kommunistische Politik in der Zeit zwischen Hitlers Niederlage und dem Zusammenbruch der Sowjetunion war weltweit weitgehend, wenn nicht ausschließlich, sowjetische Außenpolitik und daher diktiert von deren Imperativen. Wenn der Kreml die französischen Kommunisten als regierungstaugliche, in der sogenannten nationalen Verantwortung stehende, Verhandlungen mit den reformistischen und revisionistischen Sozialisten offenstehende Kraft brauchte, dann wurde sie eben eine solche Kraft. Was wog Verrat an den Autonomierechten der Algerier gegen, beispielsweise, die Auflösung der Komintern, die sich Stalin von den kapitalistischen Partnern in der Anti-Hitler-Koalition im Tausch gegen einen äußerst ärmlichen, instabilen, mitunter nur mit Panzergewalt aufrechtzuerhaltenden Ausbau der sowjetischen Einflußsphäre in Kontinentaleuropa hatte abhandeln lassen?
Eine detaillierte Schilderung, wie dies alles zuging und mit einem Vorspiel zusammenhing, in dem schon Hitler beinahe Erfolg dabei gehabt hätte, dem Generalsekretär, dem nicht nur seine Getreuen, sondern gerade auch Antikommunisten gern mythische Machtvollkommenheit und phantastisch unbeugsame Haltung andichten, die Einheit der kommunistischen Weltbewegung abzupressen, würde den Rahmen dieses Buches sprengen; da es kein antikommunistisches Interesse daran gibt, Stalin, der dämonisiert werden soll statt verstanden, gerade in seinen Schwächen realistisch darzustellen, und umgekehrt lange auch kein kommunistisches Interesse daran gegeben zu haben scheint, über diesen der Bewegung eher unangenehmen Mann überhaupt zu reden, ist hierzu bislang wenig Forschungsarbeit geleistet worden, was erste Überblicksversuche wie Harald Neuberts Die internationale Einheit der Kommunisten – ein dokumentierter historischer Abriß von 2009 nur umso wertvoller macht.
Ein Stalinbild, das seinem Gegenstand keine Zauberkräfte zuschreibt, wird sich so schnell nicht malen lassen, wer er war und was geschah, als er nicht mehr war, steht bei Isaac Deutscher und Kurt Gossweiler, die kaum jemand liest, verständlicher und klarer als in den Negativrepliken auf den hagiographischen Zeitstil seines unmittelbaren Herrschaftsbereichs, die den Personenkult beibehalten, das Vorzeichen wechseln und von allen
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