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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Menschen nicht Bodenständigkeit beibringen (de facto treibt man sie ihnen ja eher aus), sondern einfach ungerecht mit ihnen verfahren: rauben, was sie haben, ein Recht nicht gewähren, das ihnen zusteht, wo der Rechtsbegriff symmetrisch statt nach Privilegien gedacht wird, und so weiter.
    Der Verfolger ist keine Person mit fehlerhaften Denkprozessen, die ihn zwanghaft zur Gewalt verführen, sondern ein Goldjäger wie Cortez oder Pizarro, ein Opiumkrieger, ein Sklavenhändler, ein landgieriger Herero-Ausrotter, ein Handelserpresser, ein aufgrund der Überlegenheit seiner Waffen mit Begehrlichkeiten erfüllter, ein Protektionist leider auch bestimmter Errungenschaften der Arbeiterbewegung in den Metropolen schließlich, der sich all diese sehr verschiedenen Dispositionen unter Nutzung einer Ideologienfamilie zurechtlegt, die aus denen, welche da zum Arbeiten gezwungen, in ihrer Fruchtbarkeit reguliert, ausgerottet, abgeschoben oder sonstwie mißhandelt werden sollen, etwas zu machen, das solche Behandlung verträgt, weil es sich im Stande einer natürlich verminderten Rechtsfähigkeit befindet. Rassismus ist eine nicht allgemeine, sondern bestimmte Negation des Naturrechts zum Zweck der Verhinderung der Emanzipation spezifischer Menschen vom Naturzusammenhang. Sexismus ist eine andere: ein universal angelegtes Begründungsgeflecht wie das Naturrecht, welches selbst, wie wir gezeigt haben, keine deskriptive oder analytische Prägung, sondern ein normatives Konstrukt zum Zwecke der dialektischen, nämlich selbst über Naturbestimmungen laufenden Emanzipation vom Naturzusammenhang ist, bietet sich, eben weil es universal ist, für beliebig viele bestimmte Negationen an. Diese Beliebigkeit ist die logische der Gewalt selbst, ihr Willküraspekt, der sich um Rechtsgründe nicht scheren darf, soll sie Erfolg haben, und deshalb sind diese Negationen so hilfreich, wo Gewalt die Wirtschaft, die Politik, das Sozialverhalten bestimmt.
     
    »Die Arbeiterklasse ist rassistisch, kolonialistisch, imperialistisch«, sagt der Mann von der KPF, als habe die Klasse ihm ihre Meinung gesagt, ob er sie hören wollte oder nicht. Richtig hätte er dagegen etwa feststellen können: Die Arbeiterklasse im imperialistischen, kolonialistischen und rassistischen Staat Frankreich macht dessen Politik mit, weil es offenbar niemanden gibt, der sie davon überzeugt, daß das (unterm Interessenkalkül) ein schwerer Fehler ist – eine Arbeiterklasse, die mit ihren Herren paktiert, behält ihren Handlungsspielraum in Konflikten mit diesen nicht lange –, daß das (unterm symmetrischen Vertragskalkül) ein Verbrechen ist; daß das ein Solidaritätsbruch und also ein Moment ist, in dem die Klasse sich selbst verkennt, weil sie sich aufführt, als wäre sie eine besitzende, nur weil die Herrschaft ihr vom Raub was abzugeben versprochen hat. Aber wer, könnte der Mann von der KPF erwidern, sollte so etwas denn leisten: Sie davon überzeugen, daß das ein Fehler, ein Verbrechen, ein Solidaritätsbruch ist, wenn sie die rassistische, kolonialistische, imperialistische Politik mitträgt? Die Gegenfrage hätte nur lauten können, wozu irgendwer eigentlich eine KPF braucht, wenn sie derlei nicht leistet, ja nicht einmal versucht – mehr Klarheit, als zwischen jene Frage und diese Gegenfrage paßt, kann sich niemand wünschen.
     
III.
Geschichte nennen wir etwas, das Hitler bestritten hätte
    Belesenen könnte bei unserer Rassismusdefinition unbehaglich werden: Ihr stellt die Taten über die Ideologie und euch damit in die Tradition dessen, was man »historischen Materialismus« genannt hat – erinnert das nicht an Dimitroffs Faschismusdefinition und das nach 1945 zwei ganze Menschenalter hindurch auffallende Ungenügen aller Versuche, den Nationalsozialismus mit ökonomischen Herleitungen allein, mit dem theoretischen Besteck der Komintern zu zerlegen, zu begreifen? Verharmlost ihr nicht das Entsetzliche, schmiert ihr nicht die Brüche zu, die etwa zwischen dem gewiß oft ausreichend tollwütigen Antijudaismus der christlich-abendländischen Tradition einerseits und dem nationalsozialistischen Rassenantisemitismus andererseits auffallen, verschwindet nicht die Inkommensurabilität der Katastrophe unter euren umbrella terms »Unterdrückung, Verfolgung, Ausgrenzung, Ausbeutung«, die man alle noch verstehen kann, während das, was in Auschwitz geschah, nach dem Wort von Hannah Arendt vor allem wegen seiner »völligen Sinnlosigkeit« erinnert werden muß, die

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