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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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verdeckt gefährlich (in ein Call-Center oder sonstiges Großraumbüro aber möchte man die Ökonomieprofessorin schon mal ein, zwei Wochen setzen, einfach um ihr einen Begriff davon zu vermitteln, was einem so eine Tätigkeit antut), weiß eben nicht, wie Arbeit funktioniert, und höchstens, was die Maschinen tun, an denen, mit denen (und in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen viel zu oft: nach deren sprachlosem Apparatdiktat) gearbeitet wird.
     
    Das »effecting all things possible«, das den Maschinen (also geronnener Arbeit, darunter knowledge work, mit Marxens Wort aus den Grundrissen : »vergegenständlichte Wissenskraft«) zugetraut wird, ist dabei aus keinem anderen Grund eine Fehleinschätzung als wegen der in dieser Erwartung sich verratenden unscharfen Sicht darauf, wie sich »possible« von dem, was wirklich ist, unterscheidet – natürlich steckt in Produktivkraftzuwächsen Freiheit – die Art, wie sie gleichsam wie auf einer Spule auf die Zeitachse gewickelt ist, stellt sogar ein recht gutes Beispiel für das dar, was wir Implex nennen –, aber das Verhältnis vom Impliziten zum Expliziten ist eben keins der zwangsläufigen Kausalität – hier verwechselt Bacon, der Induktivist, einfach den Bereich der Natur und ihrer Kausalität mit dem des Sozialen und seinen Begründungszusammenhängen –, sondern hängt davon ab, ob sich jemand findet, der das Implizite explizit macht.
     
    Auch die pessimistische Partei kürzt diese Schnittstelle der Vermittlung aus ihren Geschichtsgleichungen – und sieht deshalb an dem geschichtlichen Augenblick, an dem die Verwüstungspotentiale der Technik die Ausrottung der Menschheit möglich machen, auch den Zeitpunkt für den Abschied von der Humanität gekommen (der dann je und je schwerfällt, Pathos erzwingt oder Gelegenheit zum Zynismus schafft). Seit Karl Kraus den Ersten Weltkrieg das »technoromantische Abenteuer« nannte, haben Katastrophen wie die Atomanlagendesaster von Three Mile Island und Tschernobyl, die Giftgasexplosion in Bhopal, abstürzende Verkehrsflugzeuge, die Krebswachstumsraten aufgrund von industriell in Umlauf gebrachten Giften, Skandale wie die um das Präparat Contergan oder den Werkstoff Asbest, die kumulativen Umweltschäden im Gefolge der Industrialisierung aller irgend von Menschen bewohnbaren Erdregionen und der Einsatz verwissenschaftlichter, technisch implementierter Rationalität bei der Vernichtung von Menschen in der Shoa und in kriegerisch ausgetragenen Konflikten dieser Position erhebliche Plausibilität verschafft.
    Für Leute, die den notwendigen Katastrophengrund der zuhandenen Mittel über den hinreichenden der sozial gesetzten Zwecke stellen, war es damit die Physik, was Hiroshima und Nagasaki verheert hat, nicht das amerikanische Militär auf Befehl seiner Regierung. Nimmt man das ernst, wird man nicht umhinkommen zu schließen, es gäbe Dinge, die Menschen besser nicht wüßten und besser nicht könnten, eine Anschauung, die gar nicht theologisch grundiert sein muß, sondern sich auch aus Menschenliebe vertreten läßt. Wir wollen nicht so verstanden sein, daß es dafür nicht Gründe gibt – eine Gefahr, die durch in Zerstörungswucht kanalisierbare, von Forschung freigesetzte Gewalten droht, mag so groß sein, daß man bei der Wahrscheinlichkeitsabwägung zu drastischen Quarantänebestimmungen fürs soziale Erkenntnisvermögen gelangt; die verbreitete statistische Argumentation wohlmeinender Stimmen aus der Wissenschaft, die Mehrzahl der Entdeckungen sei der Gattung doch immer noch eher zum Segen ausgeschlagen statt zur Megakatastrophe, hat wenig Biß, wenn man bedenkt, daß man selbst unwahrscheinlichen Fällen mit sehr weitgehenden Abwehrmaßnahmen begegnen darf, wenn sie genügend entsetzlich wären (auf die Vermeidung des Tödlichen einer bestimmten Entwicklung werde ich, wenn ich vernünftig bin, mehr Energie verwenden als auf die Vermeidung des Lästigen, selbst wenn das Tödliche kaum, das Lästige viel eher und das Harmlose am häufigsten von dieser Entwicklung zu erwarten ist). Der Grund, warum eine radikale soziale Beschränkung der als Wissenschaft organisierten Neugier – etwa im Sinne eines »bestimmte Gebiete zu betreten, bestimmte Dinge in Erfahrung zu bringen, versagen wir uns prinzipiell« – uns dennoch nicht vernünftig erscheinen will, ist ein zweiseitiger, der auf der einen Seite aus der Binnenlogik der Wissenschaft, auf der anderen aus ihrem sozialen Status in differenzierten,

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