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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Wertschöpfungskette zu stehen scheint, kann man sich doch für Reduktion und Abstraktion buchstäblich nichts kaufen (von Schwefelsäure, Äther oder Zucker, Stichwort Tauschwert, aber schon).
     
    Ideologiekritisch versierte Gläubige gegenwärtiger Science Studies werden sich an dieser Stelle dazu hinreißen lassen, hinter dieser Wissenschaftsautonomie im Verbund mit Suprematie der Grundlagenforschung vor dem Ingenieurswesen eine Art gesellschaftlich notwendiges, falsches Bewußtsein zu vermuten. Die Tatsache, daß man Justus Liebig nicht einfach auf eine Puddingprofessur gesetzt hat, läßt sich rein formal betrachtet ja wirklich damit vergleichen, daß auch der Lehrstuhl eines Scholastikers, das Fach eines Papstes, die Profession des Aquinaten allesamt »Theologie« hießen und nicht »transzendentale Rechtfertigung von Landbesitz, Leibeigenschaft und überhaupt Feudalautorität«.
    Die Tiefe, Reichweite, Persistenz und Effektivität der beschriebenen Wissenschaftsautonomie ist mit etwas wie »Verschleierung der systemstabilisierenden, das heißt herrschaftsstützenden Funktion des Wissenschaftssystems« aber unzureichend erklärt, und die Zuständigkeit der Ideologiekritik, wenn sie sich einfach unchecked beliebiger Hervorbringungsweisen von Aussageordnungen zu bemächtigen sucht, verdiente selbst einmal eine Überprüfung, wenn sie offensichtliche Unterschiede so folgenlos für ihren vorgeblichen Beweisgang ignorieren kann. Selbst die Menschen, die in den jeweiligen Praktiken stehen, machen diese Unterschiede, von den Theologen, die es nicht versäumt haben, sich vom (Baconschen, positivistischen, was immer auch im Angebot war) Wissenschaftsbegriff stets deutlich genug zu distanzieren, bis hin zu einer den Waffenstillstand mit den Wissenschaften (die dann plötzlich häufiger als sonst »Einzelwissenschaften« heißen, um etwa zu suggerieren, es ginge ihnen nicht um jenen Zusammenhang, jene Übersicht, jenes Alles-ist-auf-alles-angewiesen, das wir oben als ihre existenznotwendige Denkvoraussetzung benannt haben) formalisierenden, spätestens mit der historischen Bibelkritik aufgekommenen rhetorischen Strategie der »verschiedenen Arten, etwas zu verstehen«, Parahermeneutiken, verschiedenen Geltungsbereiche, Komplementaritäten und was dergleichen Friedensangebote mehr sind, die in jüngster Zeit, da die politische Religion von ins Bildungssystem drängenden amerikanischen Kreationisten bis zum Islamismus virulenter geworden ist als je seit dem sie in den reichen Ländern weit zurückdrängenden neunzehnten Jahrhundert, auch von Wissenschaftlern (etwa Stephen Jay Gould und diversen dem Fernöstlichen zugeneigten Hirnforschern oder Physikerinnen) begrüßt und angenommen werden. Oft geht es dabei um eine (nicht immer klar auf den Begriff gebrachte) Spielart der Unterscheidung zwischen dem Sein und dem Sollen, das Normative wird dann an den wissenschaftlich gebildeten Menschen von der Religion herangetragen, damit er sich nicht tierischer als jedes Tier benehme; die Dankbarkeit derjenigen Wissenschaftsvertreterinnen und -vertreter, wenn Leute aus dem Glaubenswesen an sie herantreten, hat viel damit zu tun, daß ein Bereich, dem man die Normativität so gründlich ausgetrieben hat, einen gewissen Sog nach ihr entwickelt. Leute wie Goulds Widersacher Richard Dawkins (und andere Hirnforscher mit Hang zu aufgefrischtem Haeckelschem Monismus) befestigen die Differenz zwischen den zu versöhnenden Aussagesystemen ihrerseits durch Angriffe auf die Religion, die ihr, weil sie eben doch Sachaussagen machen, aufgrund der Verkehrtheit derselben die Autorität absprechen, irgendwelche (seien es normative, seien es sozial selbstreflexive) Empfehlungen abzugeben; selten jedoch sind Stimmen geworden, die der Wissenschaft zutrauen, ihrerseits jene normative Strahlung abzugeben, die Wilhelm Ostwald ihr, um sie nicht von der Religion, sondern interessanterweise von der Technik zu unterscheiden, ohne weiteres zuschrieb, als er freundlich-abfällig davon redete, Technik beziehe sich »auf die Handhabung der rohen Energien, wie die Natur sie liefert« 68 und bedürfe, da diese Roheit sonst zu Exzessen und Katastrophen führe, einer Regulation durch eine von der Wissenschaft – also nicht vom lieben Gott – beizusteuernde Ethik, die, belehrt durch den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik wie nur die drei abend- und morgenländischen Monotheismen durch die Zehn Gebote, den Ingenieuren den Imperativ »Vergeude keine Energie!«

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