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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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daß solche Verwertungsketten, Kommandostrukturen und Abhängigkeitsverhältnisse überhaupt in den Blick kommen; die besagte treuherzige Erfinderhistorie läßt sie dagegen lieber verschwinden in allgemeinen, abstrakten Prinzipien wie dem rastlosen Wißtrieb »des Menschen« oder der faustischen Natur der Europäer. Physikalische Chemiker dagegen müssen auf der Rechnung haben, daß Duschgel- und Shampoo-Fabrikanten bessere Garanten für die Untersuchung rheologischen Verhaltens oder von Benetzungseffekten sind als jenes faustische je-ne-sais-quoi . Die Hintergrundstrahlung der Märkte liefert das Tageslicht, denen die Universitäten lediglich ein paar künstliche (und per Mehrproduktentnahme aus dem BSP per Besteuerung abermals der Marktwelt energetisch versorgte) Punktstrahler beigesellen.
    In den Gesellschaften, die nach dem Ende des Systemkonflikts Ost gegen West auf der Welt übriggeblieben sind, sollte die junge Frau, die nach dem Gymnasium oder der High School in die Fußstapfen von Walther Nernst oder Wilhelm Ostwald tritt, sich auch dann an dieser vermittelten Tauschwertorientierung ihrer Forschung orientieren, wenn sie nicht die Absicht hat, sich in der Lebensmittel-, Kosmetik-, Waschmittel- oder Klebstoffherstellung umzutun, sondern beispielsweise wirklich wissen will, welchen Einfluß die Gitterfehlpassung von Festelektrolyt und Isolator in einer Multischicht, das heißt: die Struktur innerer Festkörpergrenzflächen auf die Leitfähigkeit entlang dieser Grenzflächen hat; sie treibt dann nämlich, gehorsam der oben ausgesprochenen Tatsache, daß die wichtigste Eigenschaft der Dinge im naturwissenschaftlichen Welterschließungsgeflecht ihr zu ermittelnder Zusammenhang mit allen anderen Dingen ist, die in dieses Geflecht passen, nicht einfach Physikalische Chemie, sondern eben auch Materialwissenschaft, und für die ist, wie für alles Materielle, im Kapitalismus eben die Tauschwertbestimmung und der Platz des Vorhandenen in Wertschöpfungsketten entscheidend; Analoges gilt dann für Verhältnisse wie die zwischen ionischen Flüssigkeiten und green chemistry (im Klartext: agronomische Landwirtschaft), Photonik und Infotech. Grundlagenforschung heißt: Ein Biophysiker, der das Zytoskelett, das die Mechanik (also nicht einmal: Chemie) der inneren und äußeren Vorgänge in Reichweite biologischer Zellen bestimmt, als aktives polares Gel außerhalb des Gleichgewichtszustands beschreibt, leistet, ob er das begreift und will oder nicht, einen Beitrag zu irgend etwas, von dem die Pharmaindustrie noch gar nicht weiß, wie sie es zwanzig Jahre später zu Geld macht.
    Die wissenssoziologische Pointe dieser Abhängigkeiten vor dem unhintergehbaren Verwertungshorizont ist, daß sie sich, anders als schematische Warenformanalyse, moralisierende Verdinglichungskritik und sonstige linksphilosophische Mantik erwarten lassen, eben nicht in einer skalierbaren Weise aus dem wirtschaftlichen Flußdiagramm in die Arbeitsweisen der Menschen in der scientific community übersetzen: Die Fakultäten an den Ausbildungsstätten, selbst da, wo sie in den USA in erheblichem Maße vom corporate financing, Drittmitteln und ähnlichem leben, organisieren Wissenschaft weiterhin nach Wimpeln wie Festkörperphysik, Organik oder Optik statt nach Waschmittel-, Bomben- oder Flugzeugtragflächenbeschichtungsforschung, und was unter Wissenschaftsgeschichte verstanden wird, ist weiterhin nicht die Abfolge von Wettbewerbserfolgen bei der Bleichmittelgewinnung, Lebensmittelversüßung oder Fernsehgerätverflachung, sondern schreibt eine Chronik fort, in der wichtige Stationen von der Art sind: Einer namens Kirchhoff hat da beispielsweise herausgefunden, daß Stärkekleister, wenn man ihn mit verdünnter Schwefelsäure einkocht, sich ohne Schwefelsäureverlust in Zucker verwandelt; einer namens Mitscherlich hat Äther aus Weingeist gewonnen. Von Lebensmittelchemie als Oberbegriff lebt diese Geschichtsschreibung nicht, das Dach der Architektur, in welcher die genannten Entdeckungen Elemente sind, ist vielmehr der Begriff der Katalyse, und in der Reihe der Gestalten, die im beschriebenen Bereich geforscht haben, kommt deshalb die größte Wichtigkeit am Ende jenem Berzelius zu, der diesen Begriff fand.
    Die Beobachter der aufgezählten Einzelheiten, da näher an der Anwendung als Berzelius, müßten nach der kapitalistischen Verwertungsvernunft eigentlich höhere Ehren empfangen als Berzelius, dessen Leistung zunächst außerhalb der

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