Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
Vom Netzwerk:
Dummkopf. Senhor Furtado kennt mich.«
    »Er hat eine wichtige Unterredung und wünscht nicht von bettelndem Gesindel gestört zu werden.«
    »Du bist gefeuert.«
    Der Diener sah Miguel verdattert an. Nun geriet er doch ein wenig ins Wanken. Der ungewaschene Kerl sah zwar aus wie ein Marodeur, aber sein Akzent und sein Tonfall ließen auf eine hohe Geburt schließen.
    »Wartet hier, ihr zwei. Ich werde mal nachsehen, wie …«
    »Du hast mich wohl nicht verstanden. Du bist gefeuert. Also geh mir aus dem Weg, du Trottel.« Miguel brauchte seinen Säbel gar nicht zu zücken. Allein die Möglichkeit, er könne es tun, ließ den verängstigten Mann beiseitetreten.
    Im Innern des Gebäudes ging Miguel schnurstracks auf das Büro von Senhor Furtado zu, gefolgt von dem nun nicht mehr gar so forschen Crisóstomo sowie dem schimpfenden Diener. Miguel klopfte, während er durch die geschlossene Tür rief: »Ihr habt Besuch, Senhor Furtado.«
    Im selben Moment öffnete sich die Tür. Darin stand Furtado, dessen freudige Begrüßung – »seid Ihr es wirk …?« – von Erschrecken abgelöst wurde.
    »Lieber Herr im Himmel, was ist Euch widerfahren?«
    »Danke, Senhor Furtado, Ihr seht auch ganz ausgezeichnet aus.« Eigentlich freute Miguel sich, den indischen Kaufmann wiederzusehen. Aber es fiel ihm schwer, seine Gefühle zu zeigen, zumal er dem Mann ansah, dass er sich vor einem Händeschütteln ekelte. Sah er tatsächlich so abgerissen aus?
    »Verzeiht, dass wir Euch so überfallen. Sicher habt Ihr viel zu tun. Aber es ist mir nicht gelungen, eine Kutsche aufzutreiben. Bestimmt haben wir hier einen Fahrer, der bereit wäre, den verlorenen Sohn zurück in sein Heim zu bringen?«
    »Gewiss doch, Senhor Miguel! Aber sagt: Geht es Euch gut? Nehmt es mir nicht übel, aber Ihr seht zum Fürchten aus. Und dieser kleine Dieb da, der sieht noch schlimmer aus. Meine Güte, was ist bloß geschehen?«
    Die Reaktion Furtados wirkte nicht aufgesetzt oder gekünstelt. Er schien aufrichtig entsetzt zu sein, was Miguel ein wenig mit dem versöhnte, was der Inder bei ihrer letzten Begegnung gesagt hatte.
    »Uns geht es gut. Noch besser ginge es uns, wenn wir erst einmal nach Hause dürften, uns waschen und ordentlich kleiden könnten und eine anständige warme Mahlzeit bekämen. Danach bin ich gerne bereit, Euch in allen Details von unseren Abenteuern zu berichten.«
    »Aber ja doch, wie gedankenlos von mir!«
    Miguel und Crisóstomo schauten sich an und brachen in prustendes Lachen aus. Senhor Furtado und sein übertölpelter Diener blickten einander ebenfalls an und dachten dasselbe: Die beiden Rückkehrer mussten den Verstand verloren haben.
     
    Der Fahrer machte einen kleinen Umweg über den Hafenanleger, auf dem inzwischen viel weniger Betrieb war als vorhin noch. Die Kiste stand auf demselben Fleck, an dem sie sie hinterlassen hatten, und auch Panjo hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Selbst als er seinen Herrn erkannte, der auf ihn zukam, blieb er reglos sitzen. Erst als Miguel dem Hund durch ein Handzeichen zu erkennen gab, dass seine Wache nun beendet war, stürmte Panjo auf Miguel zu, als habe er ihn seit Wochen nicht zu Gesicht bekommen. Crisóstomo und der Fahrer hievten die Truhe auf den Wagen. Als alle darin Platz genommen hatten, traten sie endlich den Heimweg an. Crisóstomo konnte es sich nicht verkneifen, den Fahrern der Mietkutschen zuzuwinken, als sie diese passierten.
    »Streck ihnen doch gleich die Zunge heraus«, tadelte Miguel ihn, obwohl er in Wahrheit denselben Impuls gehabt hatte.
    Bei der Fahrt durch die Straßen kraulte Miguel abwesend Panjos Hals, während er den Blick schweifen ließ. Wie anders die Stadt nun auf ihn wirkte. Hatte sie sich so sehr verändert, oder war es vielmehr er selber, der einen so großen Wandel durchgemacht hatte? Als sie die Außenbereiche der Stadt hinter sich gelassen hatten und die Straße am Fluss entlangfuhren, wurde es ruhiger. Miguel döste ein. Erst als Panjo kläffte und über ihn hinwegsprang, erwachte er. Sie standen in der Auffahrt des Solar das Mangueiras. Miguel rieb sich die Augen und glaubte an eine überirdische Erscheinung. War das Herrenhaus immer schon so imposant gewesen? Und wieso um alles in der Welt hatte er dieses paradiesische Fleckchen Erde freiwillig verlassen können, um unter freiem Himmel zu schlafen, hungrig und der permanenten Gefahr ausgesetzt, sich von Mücken oder anderem Getier bei lebendigem Leibe auffressen zu lassen?
    »Wie groß es

Weitere Kostenlose Bücher