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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Charakter mehr als das Aussehen.
    Und dann Miguel Ribeiro Cruz, der Stürmische, Impulsive. Er war noch voll des jugendlichen Übermuts und Tatendrangs. Miguel mochte etwa in ihrem Alter sein, vielleicht ein wenig jünger, doch er hatte sich das Gefühl von Unsterblichkeit bewahrt, das ihr selber vor allzu langer Zeit abhandengekommen war. Sie beneidete ihn darum.
    Einlassen würde sie sich selbstverständlich mit keinem von beiden. Akash wusste zu viel über sie, das machte ihr Angst. Woher nur wollte er ihre Augenfarbe kennen? Hatte er sie während der gemeinsamen Reise heimlich beobachtet? Das wäre unverzeihlich und ein Zeichen von einem kindlichen Gemüt, wie sie es Akash eigentlich nicht unterstellte. Oder hatte er einfach spekuliert und darauf gehofft, dass sie sich durch ihre Reaktion verraten würde? Warum sollte er so etwas tun? Oder hatte er ihr vielmehr, falls er in ihr die gesuchte Diebin vermutete, einen aufrichtig gemeinten, freundschaftlichen Hinweis geben wollen, nämlich den, dass man weiterhin nach ihr fahndete und sie sich in Acht nehmen musste? Wie auch immer, der Anlass seines Besuchs war beängstigend, wenn er vielleicht auch nur ein Vorwand gewesen war, um sie zu sehen.
    Miguel Ribeiro Cruz wiederum war nichts weiter als ein verwöhnter Junge aus reichem Haus. Da unterschieden die Portugiesen sich nicht im Geringsten von den Indern. Diese jungen Männer glaubten, alles haben zu können, wonach es sie gelüstete. Und der tolpatschige Senhor Miguel – Amba kicherte leise, als sie erneut das Bild vor sich sah, wie er schlammbedeckt am Wegesrand auf Hilfe gewartet hatte – war ganz gewiss keine Ausnahme. Er sah eine hübsche Frau und wollte sie haben, umso mehr, da diese Frau nicht zu haben war. Amba wusste, dass sie mit ihrer abweisenden Art, ihrem mysteriösen Auftreten sowie dem Hinweis auf den Ehemann nur den Ehrgeiz des jungen Portugiesen angestachelt hatte. Er würde keine Ruhe geben, bevor er sie nicht erobert hätte – und sie gleich darauf fallen lassen. Aber so weit würde sie es niemals kommen lassen, auch wenn es ihr schwerfiel. Denn dieser Miguel Ribeiro Cruz sah wirklich verflixt gut aus, und in seinem Blick lag jene Art von Glanz, die ihr die Knie weich werden ließen.
    Amba schrak auf, als sie Schritte hörte.
    »Amba-beti, was geht hier vor?« Nayana kam schwerfällig angeschlurft. »Wie kannst du nur fremde Männer hier bewirten, ohne mich dazuzurufen? Das schädigt deinen Ruf und …«
    »Ach, Nayana, wen schert schon mein Ruf? Wichtiger ist es doch, dass du deinen Schlaf bekommst, oder?«
    »Das mag sein.« Unwirsch schüttelte Nayana den Kopf. Ihre Neugier war stärker als ihr Beharren auf Umgangsformen. »Wer waren denn die Herren?«
    »Zuerst hat mir Akash seine Aufwartung gemacht. Du erinnerst dich, der Kaufmann aus Golkonda? Er hat gerade hier in der Gegend zu tun. Und bevor du dich schon wieder empörst: Seine Manieren waren tadellos, es war ein rein freundschaftlicher Besuch.«
    »So, so.«
    »Danach kam nur ein Bote vorbei. Ich habe ihn, was dich beruhigen wird, gar nicht vorgelassen.«
    »Ah. Und was für eine Botschaft hat er übermittelt?«
    Plötzlich fiel Amba ein, dass sie ja noch gar nicht in das Päckchen geschaut hatte, das Ribeiro Cruz ihr gebracht hatte. Sie hatte es auf der Verandabrüstung zurückgelassen. Sie holte es und legte es auf dem niedrigen Tisch ab.
    »Ich weiß nicht. Er hat mir das hier gegeben. Ich bin versucht, es ungeöffnet wieder zurückzuschicken.«
    »Amba-Schatz, nein! Lass uns nachsehen, was es ist«, rief Nayana. Derartige Vorkommnisse lockerten ihren beschaulichen Alltag allzu selten auf. »Ich meine, vielleicht sind es ja geschäftliche Dokumente oder etwas in der Art.«
    Amba gestand sich ein, dass sie nun das Geschenk auspacken musste, wenn sie nicht Nayanas Argwohn erregen wollte. Behutsam öffnete sie das Päckchen und zog einen wunderschönen Schal daraus hervor. Geschmack hatte er ja, der junge Portugiese.
    »Hier, du kannst ihn behalten«, sagte Amba und reichte ihrer alten
ayah
das kostbare Stück. Nayana nahm den Schal ehrfürchtig entgegen. Sie hielt ihn gegen das Licht und bewunderte die feine Webart sowie das erlesene Material.
    »Hat es etwas zu bedeuten«, und hier warf sie Amba einen lauernden Blick zu, »dass der Schal genau die Farbe deiner Augen hat? Wer, sagtest du noch, hat diesen Boten geschickt?«
    Zum Glück kam in diesem Augenblick der kleine Vikram laut johlend durch den Garten gerannt, Anuprabha dicht

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