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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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ist«, hörte er Crisóstomo andächtig flüstern, »und wie schön.«
    »Ja.«
    »Ich traue mich da gar nicht hinein, so wie wir aussehen.«
    Miguel empfand ähnlich wie der Junge. Er fand es merkwürdig, dass er jemals mit der allergrößten Selbstverständlichkeit hier eingezogen war und dann auch noch an allem und jedem herumgenörgelt hatte. Jetzt bestaunte er voller Ehrfurcht diesen Palast, als habe er es nicht verdient, darin zu leben. Doch im selben Augenblick erschien ein aufgebrachter Domestik, und Miguel schob seine Zweifel beiseite. Ob er sich nun fühlte wie der Hausherr oder nicht, er musste in jedem Fall als solcher auftreten, sonst würden ihn seine eigenen Dienstboten nicht hineinlassen.
    Der Diener, den Miguel als Babu erkannte, jenen Burschen, dem er einst seine Kartentricks vorgeführt hatte, zeterte wie verrückt.
    »Babu, ruf sofort Phanishwar, er soll sich um die Pferde kümmern und dem Fahrer etwas zu trinken geben. Und du komm her und hilf uns mit der Kiste.«
    Babu schüttelte ungläubig den Kopf. »Seid Ihr es, Senhor Miguel? Ihr seid kaum wiederzuerk …«
    »Ich weiß. Und solange du hier stehst und Maulaffen feilhältst, wird sich daran auch nichts ändern.«
    Inzwischen waren auch andere Dienstboten aus dem Haus gekommen, die das abgerissene Duo anstarrten, als handele es sich um Geister. »Nun glotzt nicht so dämlich. Los, an die Arbeit. Lasst für jeden von uns ein Bad ein, und sagt dem Koch Bescheid, er soll ein Festmahl zubereiten. Und zwar hurtig.«
    Die Leute trollten sich, ein wenig zu schnell, wie Miguel fand. Wahrscheinlich hatten sie ihre Pflichten im Haus vernachlässigt und wollten nun noch retten, was zu retten war. Wäre es anders gewesen, hätten sie noch viel länger dort gestanden und gegafft und geschnattert.
    Einen Moment standen Miguel und Crisóstomo allein im Hof. Der Kutscher war mit Babu zum Stall gegangen, die anderen Dienstboten waren ins Haus geflüchtet. Keiner hatte daran gedacht, sich des Gepäcks anzunehmen, das einzig aus der Truhe bestand. Dann erschien plötzlich der Gärtner, den die Neuigkeiten offenbar verspätet erreicht hatten.
    »Senhor Miguel, wie schön, dass Ihr wohlbehalten zurückgekehrt seid!«
    Ah, endlich einmal eine freundliche Begrüßung. Miguel war angenehm überrascht.
    »Ja, ich freue mich auch, wieder hier zu sein. Wärst du so nett, dich um den Hund zu kümmern?« Miguel erinnerte sich, dass der Mann im Umgang mit Panjo Geschick und Güte bewiesen hatte. »Bestimmt gibt es irgendein indisches Kraut, das gegen Flöhe hilft?«
    Der Gärtner entblößte eine schadhafte Zahnreihe, als er mit einem breiten Lächeln antwortete: »Ihr werdet das Tier nicht wiedererkennen …«
    Umgekehrt verhielt es sich wohl genauso, dachte Miguel, als er später an der langen Tafel im Speisesaal saß und das Essen aufgetragen wurde. Nach einem ausgiebigen Bad und einer Rasur fühlte er sich wie neugeboren. Er hatte es mit seiner Reinigungsprozedur vielleicht etwas übertrieben, denn unter all den Duftwässerchen und Pflegeölen, die er benutzt hatte, konnte der Hund seinen Herrn kaum noch riechen. Panjo selber verströmte das Aroma von Kräutern und hatte vom
mali
offenbar eine Rundumverschönerung erfahren. Die Krallen waren gekürzt und die Ohren gesäubert worden, das Fell glänzte.
    Während des Essens ließ Miguel immer wieder einen Happen, ein Stück Hähnchenfleisch oder Brot, unter den Tisch fallen. Er fand, dass auch der Hund sich nach all den bestandenen Abenteuern ein Festmahl verdient hatte. Dass Crisóstomo ebenfalls gut versorgt sein würde, wusste er. Die Dienstboten waren heute Abend auffällig selten im Speisesaal zu sehen. Sicher erzählte Crisóstomo im Nutztrakt gerade von ihren Erlebnissen während der Reise und wurde durch eine besonders köstliche Mahlzeit animiert, noch mehr Details zum Besten zu geben. Nun, solange er nicht erzählte, was sich in der Truhe befand …
    Miguel selber hätte jetzt, da er sich wieder gepflegt fühlte, satt war und nach dem Portwein von einer wohligen Wärme durchströmt wurde, auch gerne jemanden zum Reden gehabt. Stattdessen saß er schweigend an dieser viel zu langen Tafel, die ihm seine Einsamkeit noch deutlicher ins Bewusstsein rückte. Wieso war ihm vorher nie aufgefallen, wie dekadent es war, ganz allein hier zu speisen? Einzig ein Hund leistete ihm Gesellschaft. Und sosehr er Panjo liebte, so wenig konnte der ihm ein Gespräch mit Freunden ersetzen.
    Aber welche Freunde hatte er denn

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