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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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hinter ihm. »Na warte, du Schlingel!«, rief sie. Dann entdeckte sie Dona Amba und die alte Nayana auf der Veranda und schlug sich vor Verlegenheit die Hand vor den Mund.
    Nayana sah Amba durchdringend an und flüsterte: »So leicht kommst du mir nicht davon.«
    Natürlich nicht, dachte Amba. Wann wäre sie je leicht davongekommen?

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23
    Z wei zerlumpte Gestalten stiegen aus der Piroge, die sie über den Mandovi-Fluss gesetzt hatte. Einige Leute, die am Kai standen, wichen zurück. Gründe dafür gab es zuhauf. Von den beiden ging nicht nur ein strenger Geruch aus, sie wirkten auch überaus gefährlich. Beide trugen Säbel, beide hatten verfilzte Bärte und ebenso ungepflegtes Haupthaar. Vor allem aber drückte ihre Haltung aus, dass man sich ihnen besser nicht in den Weg stellte. Sie gingen wie Männer, die keine Furcht kannten: mit energischen Schritten, durchgedrücktem Kreuz und erhobenem Kopf. Ob ihre Mienen grimmig waren, ließ sich nicht sagen, denn von den Gesichtern war dank der Bärte und des Schmutzes wenig zu erkennen.
    Einer der Männer war größer und kräftiger als der andere, der von mittlerem Wuchs war. Der größere schien auch der ältere und der Anführer zu sein. Ob die beiden üblen Gesellen Inder, Europäer oder Araber waren, konnte man auf Anhieb ebenfalls nicht feststellen. Sie trugen ein Sammelsurium an verdreckter Kleidung und schmutzstarrende Turbane. Einzig der Hund, der die beiden begleitete, hätte Aufschluss über ihre Identität geben können.
    Doch auch Panjo hatte sich in der kurzen Zeit, in der Miguel und Crisóstomo auf Reisen gewesen waren, verändert. Er war kein flauschiger Welpe mehr, sondern ein hässlicher Köter von mittlerer Größe geworden, dessen Fell nun voller Dreck und Flöhe war. Er hatte sich allerdings auch zu einem Tier entwickelt, das extrem klug und treu war und das die Befehle seines Herrn bereits zu verstehen schien, wenn dieser ihm nur einen bestimmten Blick zuwarf. Er war, wenn es um den Schutz Miguels ging, absolut furchtlos. Wahrscheinlich hätte er sich auch knurrend einem Tiger entgegengestellt, wenn der seinem Herrn zu nahe gekommen wäre.
     
    Die »große« Indienreise hatte gerade einmal sechs Wochen gedauert. Sie hatten es bis Surat und zurück geschafft. Und sie waren froh, noch am Leben zu sein.
    Zuerst waren sie in einen Hinterhalt von Strauchdieben geraten, die ihnen ihre Reiseausrüstung, ihre robusten Stiefel sowie die Pferde gestohlen hatten. Wenig später waren die prahlenden Räuber im nächstgelegenen Dorf allerdings gefasst worden – und Miguel hatte den Soldaten des Maharadschas für ihre Hilfe einen Teil der sichergestellten Beute abtreten müssen. Dann hatte eine sehr unschöne Erkrankung sie für eine Woche niedergestreckt. Eine freundliche Bauernfamilie hatte sie in ihrem Haus aufgenommen und gesund gepflegt. Nach seiner Genesung hatte Miguel seinem Dank dadurch Ausdruck verliehen, dass er den Leuten das wenige, was die Reisekasse noch hergab, schenkte. Anschließend, ernüchtert und viel vorsichtiger geworden, waren sie ohne größere Zwischenfälle nach Bombay gelangt, indem Miguel ihren verschiedenen Reisebekanntschaften mit Kartentricks das Geld aus der Tasche zog. Es war genau das, was er nie hatte tun wollen, aber die Umstände hatten ihn nun einmal dazu gezwungen.
    Danach war ihnen das Glück wieder hold gewesen. Die große Handelsmetropole Surat, in der die East India Company der Engländer ihren Hauptsitz hatte, war betriebsam, laut, bunt und ebenso von Geld und Handel besessen, wie Goa es war. Es waren Menschen aller Couleur und aller Religionen dort, alle geeint in ihrem Streben nach Wohlstand. Miguel, Crisóstomo und Panjo fielen in dem kunterbunten Gewimmel überhaupt nicht auf. Obwohl ihre Kleidung sie nicht eben als vornehme Herren auswies, wurden sie zuvorkommend behandelt, sobald Miguel sich als Kaufmann vorstellte. Den Leuten war es gleich, mit wem sie Handel trieben, Hauptsache, es sprang etwas für sie dabei heraus.
    Erneut sah Miguel sich dazu veranlasst, seine Kasse durch Spielen aufzubessern. Es gab in Surat viele Engländer, die im Gegensatz zu den Indern einige der kontinentaleuropäischen Kartenspiele beherrschten. Genau wie schon auf dem Schiff, mit dem Miguel von Lissabon nach Goa gereist war, hielten die Leute ihn für einen draufgängerischen Nichtsnutz, den man schnell und einfach um seine Barschaft bringen konnte. Ehe sie feststellen konnten, dass es sich anders verhielt, hatte Miguel sich

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