Der indigoblaue Schleier
Allerdings haben wir unser Geld an einem sicheren Ort hinterlegt, denn hier in der Herberge erschien es uns nicht ratsam, prall gefüllte Goldbeutel unter die Schlafmatten zu legen.«
Carlos Alberto fiel in das gekünstelte Lachen mit ein. »Sehr vernünftig von Euch.«
»Und darum«, fuhr Chandra fort, »gebt uns bis morgen Mittag Zeit. Wir werden Euch dann eine ansehnliche Summe für Eure Arbeit vorauszahlen können – für die wir natürlich auch baldige Ergebnisse erwarten.«
»Verlasst Euch auf mich. Ich bringe Euch die Verbrecherin.«
Chandra und Pradeep reichten dem Portugiesen die Hand, wie es der hiesigen Sitte entsprach. Als der Mann sie verließ, schickten sie sofort den Diener nach frischem Wasser, um ihre Hände zu reinigen.
Danach begannen sie, diesmal ohne die Hilfe oder das Wissen des Dieners, ihre Bündel zu schnüren. Morgen um die Mittagszeit wollten sie weit fort von hier sein. Sie schworen sich, nie wieder zurückzukehren.
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44
N atürlich sprach sich die Verlobung von Miguel Ribeiro Cruz und Isabel de Matos wie ein Lauffeuer herum. Die Eheleute Queiroz hatten ganze Arbeit geleistet. Die gehobene Gesellschaft freute sich bereits auf ein großes Fest, wie es allzu lange keines mehr gegeben hatte. Man hatte es satt, an Krankenlagern zu sitzen oder auf Beerdigungen zu gehen. Ein Gedenkgottesdienst jagte den nächsten, jeder wollte seinen Nachbarn in der Anzahl der Messen, die für die Verstorbenen gelesen wurden, übertreffen. Eine aufwendige Verlobungsfeier wäre genau das Richtige, um wieder auf andere Gedanken zu kommen. Und als junger Mann von hohem Stand und mit großem Vermögen würde Miguel Ribeiro Cruz sich gewiss nicht lumpen lassen. Einzig ein paar farblose Wesen in heiratsfähigem Alter bliesen weiter Trübsal und verfluchten Isabel de Matos, allerdings nur so lange, bis sie sie kennenlernten. Diesem netten Mädchen konnte man wirklich nicht böse sein. Und war es denn ein Wunder, dass sie dem begehrten Kaufmannssohn den Kopf verdreht hatte? Sie war hübsch, klug, freundlich und in jeder Hinsicht umwerfend. Ach, wenn sie doch nur halb so viel Liebreiz wie Isabel besessen hätten!
Sogar im indischen Teil der Bevölkerung war die Verlobung des Senhor Miguel mit der schönen Portugiesin Gesprächsstoff. Senhor Rui alias Rujul rieb sich die Hände, weil er sich ein großartiges Geschäft erhoffte – ein Verlobungsring wäre fällig, in nicht allzu ferner Zukunft auch Trauringe. Oh, und was hatte er alles für aparte Juwelen im Angebot, die er dem jungen Bräutigam zu einem Spottpreis überlassen konnte! Wundervoll! Er würde sogleich alle Preise verdoppeln, um Senhor Miguel mit erheblichen Nachlässen ködern zu können.
Senhor Furtado besprach die Angelegenheit mit seiner Frau, auf deren gesunden Menschenverstand man sich immer verlassen konnte. Er war ein wenig beleidigt, dass ihn Ribeiro Cruz senior nicht von der bevorstehenden Verlobung in Kenntnis gesetzt hatte. Immerhin hätte die Verbindung zweier so vermögender Familien auch Einfluss auf das Geschäft, und da wollte er doch bitte schön immer auf dem Laufenden sein. Senhora Furtado indes hielt das Ganze nur für ein Gerücht. »Ich könnte mir vorstellen, dass man da eine Ehe arrangiert hat. Wie ich den Senhor Miguel kenne und wie du mir die Senhorita Isabel beschrieben hast, glaube ich nicht, dass sie dem Wunsch ihrer Eltern entsprechen werden, was sehr bedauerlich wäre und natürlich ein furchtbares Vergehen gegen die ungeschriebenen Gesetze innerhalb der Familie. Aber die beiden sind dickköpfig, und so fern von zu Hause macht die Jugend ja doch, was sie will. Ach, Fernando, in solchen Momenten bin ich ganz froh, dass wir nie Kinder hatten.«
In einem Haushalt am nördlichen Ufer des Mandovi war die Stimmung gedrückt. Ambadevi war nicht mehr sie selbst, seit der portugiesische Patient so überstürzt ihr Haus verlassen hatte. Makarand war der Meinung, dass Senhor Miguel ihr Herz gebrochen hatte. Als einziger Augenzeuge einer Szene, die Ambadevi ihm mit einer Ohnmacht des Rekonvaleszenten erklärt hatte, war er sicher, dass er sie bei etwas viel Intimerem als bei einem Wiederbelebungsversuch gesehen hatte. Er erzählte Anuprabha in allen Details von seinen Beobachtungen, doch diese mochte ihm keinen Glauben schenken. »Was du immer alles siehst, Makarand! Es wird schon so gewesen sein, wie die Herrin gesagt hat: Senhor Miguel wurde von einem Schwindel erfasst, sie kniete sich neben ihn und gab ihm Ohrfeigen,
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