Der indigoblaue Schleier
befolgte. Es schien sich seiner Macht gar nicht bewusst zu sein. Miguels Pferd tänzelte ängstlich am Wegesrand, bis der Elefant vorbeigezogen war. Obwohl dessen Stoßzähne gekürzt worden waren, hatte auch Miguel sich ein wenig unbehaglich gefühlt.
Aber lange nicht so unbehaglich, wie er sich fühlte, als sie Ambas Anwesen erreichten. Der Gärtner grüßte ihn wie einen alten Bekannten, und Makarand geriet fast außer sich vor Begeisterung.
»Senhor Miguel!«, stürmte er freudig auf ihn zu und half ihm beim Absteigen. »Ihr seht gut aus, Ihr seid anscheinend wieder völlig gesund.«
»Ja, dank Eurer Pflege. Wie geht es Anuprabha?« Miguel mochte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, obwohl es natürlich allen klar war, dass er nicht gekommen war, um sich nach dem Wohlergehen der Dienerschaft zu erkundigen.
»Sie ist wieder ganz die Alte und ignoriert mich.«
Miguel musste lachen, obwohl der Bursche die ganze Sache sicher nicht sehr komisch fand. »Ist Dona Amba zu sprechen?«, fragte er schließlich.
»Hm, tja … also«, Makarand räusperte sich und rieb verschämt seine Hände, »sie hat Anweisung gegeben, keinen Besucher vorzulassen.«
»Aber ich bin kein gewöhnlicher Besucher. Ich verdanke ihr mein Leben, damit hat sie eine gewisse Verantwortung auf sich geladen.«
»Das stimmt, Senhor Miguel. Kommt mit.«
Makarand führte Miguel zum Haus, zu dem er selber keinen Zutritt hatte. Auf der Veranda kam Anuprabha ihnen bereits entgegen. Sie reagierte ähnlich wie der Junge, als sie Miguel sah. Doch auch sie schien sich den Anordnungen Dona Ambas nicht widersetzen zu wollen, nicht einmal wenn es, wie jetzt, um den Mann ging, der sie aus dem Kerker befreit hatte.
»Es tut mir leid, Senhor Miguel. Ich kann Euch nicht vorlassen. Die Herrin wünscht keine Störung.«
Miguel blickte an der Fassade des Hauses nach oben. Im Obergeschoss sah er einen Vorhang, der sich bewegte. Er wusste, dass Amba daheim war und jede seiner Bewegungen mitverfolgte. Was sollte er tun? Sich gewaltsam Zutritt zum Haus verschaffen? Ausgeschlossen. Ihr von hier draußen zurufen, was er auf dem Herzen hatte? Ebenfalls ausgeschlossen. Die Diener würden sich im Kreis um ihn aufstellen und das Schauspiel bejubeln, während ihm Ambas Verachtung bis ans Ende der Zeit sicher wäre.
»Dona Amba«, rief er trotz aller Bedenken laut, »bitte lasst mich vor. Ich muss eine sehr wichtige Angelegenheit mit Euch besprechen, die keinen Aufschub duldet.«
Tatsächlich erregte er die Aufmerksamkeit der anderen Dienstboten, die das Geschehen aus der Distanz beobachteten. Es passierte so wenig hier draußen, da war man über jede Abwechslung froh.
Miguel hörte Fußgetrappel und wusste anhand dieses Geräuschs, dass es nicht Amba war, die sich näherte. Sie trat beinahe lautlos mit den Füßen auf. Das andere junge Mädchen kam auf die Veranda gelaufen, ein wenig atemlos angesichts ihrer bedeutsamen Aufgabe. »Ihr sollt gehen, sagt die Herrin«, platzte Jyoti heraus.
»Richte deiner Herrin aus, dass ich das tun werde. Allerdings erst, wenn sie mich angehört hat.«
Nun kam auch noch die kauzige Alte auf die Veranda, die sich so leise bewegte, dass ihre Schritte nicht zu hören gewesen waren. Miguel hatte sie, als er krank war und hier im Haus gepflegt worden war, nur am Rande wahrgenommen. Sie scheuchte alle anderen davon und wies auf die Bank, um Miguel zum Platznehmen aufzufordern.
»Ich bin Nayana. Ihr könnt mir sagen, was Ihr Dona Amba mitzuteilen wünscht.«
Miguel hatte jedoch nicht vor, seinen wiederholten Antrag, für den er diesmal den Ring dabeihatte, vor der Alten auszusprechen.
»Das geht nicht«, sagte er.
»Ich bin über alles in Dona Ambas Leben unterrichtet. Alles.«
»Wie schön für Euch. Dennoch gibt es Dinge, die man nun einmal von Angesicht zu Angesicht sagen muss.«
»Genau diese Dinge will Dona Amba von Euch nicht hören. Sie ist eine verheiratete Frau, und Ihr habt eine Verlobte, die Eure Familie für Euch ausgesucht hat. Dona Amba hat Euer Leben gerettet. Ist das nun Euer Dank, dass Ihr ihre Wünsche nicht respektiert?«
Miguel musste sich geschlagen geben. Er änderte seine Taktik. Er setzte ein bescheidenes Lächeln auf, ließ den Kopf geknickt hängen und bedachte die Alte mit einem Blick, von dem er hoffte, dass er demütig wirkte.
»Würdet Ihr ihr wenigstens das hier von mir überreichen? Sagt Dona Amba bitte, dass es sich um ein Geschenk handelt, mit dem ich mich bedanken möchte.«
Nayana nahm das
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