Der indigoblaue Schleier
der Juwelier seine Schuld nicht einsah, würden sie an dem stadtbekannten Mann ein Exempel statuieren.
Denn ein angesehener Händler, der auf dem Scheiterhaufen loderte, erhöhte erfahrungsgemäß die Bußfertigkeit der Bevölkerung.
[home]
48
Lieber Miguel,
Du fehlst uns allen schrecklich, doch noch viel mehr fehlt uns weitere Ware. Sidónio wird förmlich überrannt von alten Männern, die diese Kamasutra-Bilder kaufen wollen, und Delfina liegen unzählige Anfragen von Damen der Lissabonner Gesellschaft vor, die ganz versessen sind auf die Saris und Haarkämme und alles, was wir »Inder« als billigen Tand empfinden. Hier gelten diese Dinge als exotisch und daher exklusiv. Glückwunsch, mein Alter, Deine Idee war genial. Aber Du musst nun wirklich noch einmal auf Reisen gehen und weitere Ware beschaffen, um Deinen Vorsprung auszubauen. Die Kaufleute hier sind schlau und gar nicht wählerisch. Wenn die Preise für Pfeffer verfallen, handeln sie eben mit Dingen, die stärker nachgefragt werden, und schon bald dürftest du Konkurrenten haben. Also los!
Der junge Offizier, der sich in Angola in ärztliche Obhut begeben musste, ist tatsächlich mehr oder weniger heil in Lissabon eingetroffen, obwohl er nun humpelt. Der Arme, als Seemann wird er es mit einer Verkrüppelung nicht leicht haben. Aber als Spion hat er immerhin keine schlechte Figur gemacht. Er hat in Erfahrung gebracht, dass es nicht gemeine Diebe waren, die die Gewürzsäcke an sich gebracht haben, sondern dass ein ortsansässiges Handelshaus, »Casa Fernandes«, die Ware »ganz offiziell« erworben hat. Wenn dem wirklich so sein sollte und ich in einem korrekten Vorgang ein Verbrechen gesehen habe, das es gar nicht gibt, dann lass es mich bitte wissen. Aber Du hattest ja gesagt, dass alle Säcke für Lissabon bestimmt waren, so dass ich mir dieses angolanische Handelshaus näher angesehen habe.
Es ist im Handelsregister auf den Namen einer Dame eingetragen, vermutlich einer Witwe. Sie heißt Beatriz de Castro Fernandes. Die Ware, mit der »Casa Fernandes« vorrangig handelt, sind Sklaven. Der Bedarf an Arbeitskräften in Brasilien ist enorm, und die Afrikaner eignen sich anscheinend perfekt für die schwere Arbeit und das Klima in der südamerikanischen Kolonie. Ich habe mich ein wenig informiert und herausgefunden, dass die Sklavenjäger einfach durchs Hinterland streifen und die kräftigsten jungen Erwachsenen gefangen nehmen. Der Verlust durch den Transport der »Ware« ist hoch, denn die Sklavenschiffe sind nicht eben komfortabel, gelinde ausgedrückt. Von hundert Negern kommen nur vierzig lebendig an. Es ist ein schmutziges Geschäft, und es wird die Nase darüber gerümpft, obwohl natürlich niemand auf den Einsatz von Sklaven verzichten kann und will. Nun, ich schweife ab. Also, dieses Handelshaus »Casa Fernandes« betreibt nebenbei noch einen kleinen, aber lukrativen Handel mit Agrargütern aus Angola, insbesondere Kaffee und Zucker. Auch im Orienthandel ist es aktiv, so dass ein Sack Pfeffer, der in einen neu beschrifteten Sack umgefüllt wird, überhaupt nicht auffallen würde. Bei alldem tritt diese »Casa Fernandes« sehr bescheiden auf. Man scheint keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen zu wollen, was allein ja schon ein Grund zur Skepsis ist. Alle anderen portugiesischen Handelshäuser, inklusive dem eurer Familie, treten großspurig auf und demonstrieren gern ihre Macht und ihren Reichtum.
Über die Eignerin habe ich bisher nichts in Erfahrung bringen können, wohl aber über den Mann an Bord des Schiffes, mit dem ich gereist bin, der die Ware in Angola hat verschwinden lassen. Es handelt sich um den, der für die Beaufsichtigung der Fracht zuständig ist, einen gewissen Floriano Reis, er ist ein Angestellter eurer Firma. Ich selber kann den betrügerischen Kerl natürlich nicht verhören, aber Du könntest ihm bei nächster Gelegenheit auf den Zahn fühlen. Und ihr solltet ihn schnellstens durch einen vertrauenswürdigeren Mann ersetzen.
Nun, altes Haus, so viel von meiner Spitzel-Mission. Ich entdecke ein gewisses Vergnügen daran, in anderer Leute Angelegenheiten herumzuschnüffeln, was gar nicht gesund ist. Auf diese Weise habe ich nämlich ebenfalls herausgebracht, dass Delfina sich in einen Schnösel verliebt hat, der ein unerträglicher Besserwisser ist und uns in allem korrigiert, einschließlich in Dingen, über die er gar nichts wissen kann. Sidónio hat noch keine Dame gefunden, der er den Hof machen möchte, er ist ganz
Weitere Kostenlose Bücher