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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Frau in ordentlichem, aber eindeutig billigem Baumwollsari einfachster Machart verlangte etwa eine Stunde später, den Häftling Rujul zu sprechen. Sie hatte ein Tuch über ihren Kopf gelegt und so weit in die Stirn gezogen, dass es Schatten über ihr Gesicht warf. Dennoch erkannte der Wachposten, dass es sich um eine außergewöhnlich schöne Frau handelte. Da er aufgrund ihrer Kleidung nicht erwartete, ein anständiges Bestechungsgeld zu kassieren, machte er ihr einen anderen Vorschlag. Seine Hand klebte schon fast an ihrem Hinterteil, als die Frau ihn leise anzischte: »Eine falsche Bewegung, und du landest vor dem Inquisitor, der mein Dienstherr ist.« Der Wärter hatte nicht den Mumm, an dieser Warnung zu zweifeln. Er nahm eine spanische Münze entgegen, die den Worten der Frau recht zu geben schien, und führte sie unzählige Stufen hinab in den Raum, in dem Rujul eingesperrt war.
    Es war zum Gotterbarmen. Es war kühl und feucht hier unten. Kein Tageslicht erreichte je diese Tiefen, einzig ein paar Funzeln erlaubten, dass man die Misere sah. Gerochen hätte man sie ohnehin. Der Gestank von Schimmel lag über allem, intensiv und stechend, darunter ein die Nase und den Magen reizender Geruch von menschlichen Exkrementen, ungewaschenen Leibern und unbehandelten eitrigen Wunden. Der Wärter führte Amba durch ein Labyrinth an Gängen, vorbei an unzähligen Zellen, in denen stöhnende oder randalierende, reglose oder tobende Männer einsaßen, in manchen Zellen zu mehreren, in einigen allein. Diejenigen, vermutete Amba, die erst kurze Zeit hier waren und noch Energie hatten, wehrten sich lautstark oder riefen sie um Hilfe an, während die länger Inhaftierten alle Kraft verloren und alle Hoffnung aufgegeben hatten und nun still vor sich hin vegetierten.
    »Hier ist es. Wünscht Ihr, mit Eurem Cousin allein gelassen zu werden?«, fragte der Wärter mit einem anzüglichen Grinsen.
    »Ja.«
    Er hielt die Hand auf, und Amba legte eine weitere Münze hinein. Langsam schlurfte er davon.
    Rujul hatte gedöst. Nun erhob er sich vom Boden und schleppte sich ächzend zu dem Gitter. Er betrachtete die unbekannte Frau, die, wie er im Halbschlaf mitbekommen hatte, sich als seine Cousine ausgegeben hatte.
    »Wer seid Ihr?«, flüsterte er.
    »Aber Rujul, deine Cousine Amba natürlich.«
    Rujuls Augen weiteten sich. Er hatte Dona Amba nie ohne ihren Schleier gesehen und auch nicht in so schlichter Kleidung.
    Amba starrte Rujul ebenfalls ziemlich unhöflich an. Er war viel dünner geworden und hatte einen Bart bekommen. Er schien auch verletzt zu sein, denn um seine Wade sah sie eine improvisierte Binde, die er aus dem Stoff eines
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gewonnen zu haben schien. Dass er übel aussah und roch, war nicht seine Schuld; dennoch ekelte Amba sich. Seine Geschäftstüchtigkeit und seine Schläue hatte Rujul aber noch nicht eingebüßt, wie Amba sofort merkte.
    »Cousine Amba, was für ein Segen, dass du gekommen bist. Du wirst dich sicher für meine Befreiung einsetzen?«
    »Selbstverständlich, lieber Cousin. Insbesondere, da ich um deine Erkrankung weiß. Du hast ja den Stein …«
    »Ja, eine abscheuliche Sache, diese Nierensteine.«
    »Ich kann dir helfen, sie loszuwerden. Ich habe da einen Heiler an der Hand, der Wunder vollbringt. Er benötigt für eine erste Analyse einen persönlichen Gegenstand von dir, etwas, an dem du sehr hängst. Wenn du mir sagst, wo ich einen solchen Gegenstand finden könnte, würde ich den Heiler aufsuchen, er könnte das Gutachten erstellen und dann, wenn du wieder hier herauskommst, die Behandlung beginnen.«
    Rujul verstand sofort, worauf Amba hinauswollte. Aber konnte er ihr trauen? Was, wenn sie sich den Diamanten holte und ihn hier drin verrecken ließ? Andererseits war sie seine einzige Chance: Nur mithilfe eines enorm hohen Bestechungsgeldes würde er jemals diesen Kerker wieder verlassen können – und eine solche Summe würde sie aufbringen können. Wen hatte er schon sonst noch auf dieser Welt? Es scherte keine Menschenseele, ob er hier verschimmelte oder nicht. Er hatte vor ihr noch keinen einzigen Besucher gehabt, niemanden, der ihm die Haft erträglicher machte, und schon gar niemanden, den er um Hilfe hätte bitten können.
    »Dieser Heiler kostet aber doch bestimmt sehr viel?«, fragte er.
    »Mach dir darüber keine Gedanken. Ich werde für die Kosten aufkommen.«
    »Nun ja, es will mir zwar ein wenig ungewöhnlich, um nicht zu sagen abenteuerlich erscheinen, doch einen Versuch ist es

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