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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Zeugen. Und was sollte er mit dem kleinen Bastard anfangen, wenn er ihn nicht tötete?
    »Ich will zu Tante Maria!«, schrie der Junge jetzt hysterisch, »Tante Maria!« Er verschluckte sich beinahe an seinen Schluchzern, bis Isabel ihn an der Hand nahm und sagte: »Ganz ruhig, mein Kleiner. Du kommst jetzt erst einmal mit mir, denn bei mir zu Hause gibt es sehr leckeres Konfekt. Und später bringe ich dich zu Tante Maria. In Ordnung?« Der Junge nickte halbherzig, schien ihm doch diese Alternative immer noch besser zu sein als die, mit dem bösen Mann mitzugehen. Carlos Alberto indes wollte sich schon schulterzuckend verziehen, als Isabel ihn aufhielt. »He da! Wer seid Ihr überhaupt? Kann ich Euch erreichen, wenn es um das Schulgeld und bessere Kleidung für Euren Sohn geht?«
    Carlos Alberto starrte die Frau, von der er wusste, dass sie Miguels Verlobte war, ausdruckslos an. Dann begann er plötzlich zu lachen, immer lauter und immer heftiger, bis alle Umstehenden meinten, er sei nicht ganz bei Trost. Die Leute wandten sich peinlich berührt ab. Nur Isabel blieb stehen und hörte sich das irre Gelächter des Mannes an, ohne eine Miene zu verziehen. Als er sich wieder beruhigt hatte, deutete er eine Verbeugung an und sagte in geziertem Tonfall: »Carlos Alberto Sant’Ana. Stets zu Euren Diensten, Madame.«
    Isabel blieb vor Schreck fast der Mund offen stehen. Den Namen hatte sie oft gehört, es waren die übelsten Schrecken damit verbunden. Trotzdem gelang es ihr, einen kühlen Kopf zu bewahren. »Ich bin Isabel de Matos. Wenn Euch das nächste Mal väterliche Gefühle überkommen, dann seid so freundlich, zuvor alle Formalitäten zu regeln. Die Gesetze gelten auch für Euch, Senhor.« Damit nahm sie den Jungen an der Hand und stapfte mit ihm davon, nicht ahnend, dass sie ihm gerade das Leben gerettet hatte.

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57
    M akarand hatte seiner Herrin die Botschaft von Miguel wortwörtlich ausgerichtet. Doch die bestärkte Amba nur noch in ihrem Vorhaben. Sie sollte ihm vertrauen? Pah! Sie würde genauso verfahren, wie sie es geplant hatte, und der erste Schritt, der schwierigste, war ja schon geschafft: Sie hatte den Diamanten. Nun galt es, alles andere zu regeln, damit sie guten Gewissens fortgehen konnte. Allein.
    Denn Nayana, die sie ihr Leben lang begleitet hatte, würde eine weitere beschwerliche Reise, noch dazu ins Ausland, kaum bewältigen können. Es brach Amba das Herz, Nayana allein zurücklassen zu müssen, aber anders ging es nicht. Sie würde ihre alte
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immerhin so gut versorgen, dass sie einen Lebensabend ohne Entbehrungen haben würde. Nayana würde das Haus bekommen. Amba wollte es auf ihren Namen überschreiben lassen, aber sie würde den anderen ein Wohnrecht einräumen. Der Gärtner Dakshesh, die Köchin Chitrani sowie die Näherin Shalini mit ihrem kleinen Sohn – sie alle hatten außerhalb dieses abgelegenen Refugiums wenig Chancen, ein Leben in Würde zu führen. Dakshesh und Nayana waren zu alt, Chitrani würde aufgrund ihrer Brandnarben auf immer ein Opfer der Niedertracht sein, und Shalini wäre mit ihrem unehelichen Sohn eine leichte Beute für Sklavenhändler und ähnliches Gewürm.
    Jyoti dagegen war jung und stark genug, um auf eigenen Beinen zu stehen. Amba hatte mit dem Dorfpfarrer gesprochen, der eine junge portugiesische Familie kannte, in der Jyoti als Hausmädchen arbeiten konnte. Als Amba mit Jyoti darüber geredet hatte, war diese zunächst in Tränen ausgebrochen und hatte sich bitterlich darüber beklagt, dass sie fortgejagt werden sollte.
    »Aber Jyoti, du wirst nicht fortgejagt. Es ist nur an der Zeit, dass du unser Nest verlässt. Diese Familie ist sehr freundlich. Die Leute haben drei kleine Kinder, und ich weiß, dass du dort bestens aufgehoben sein wirst. Im Übrigen bezahlen sie dir mehr, als ich es tue. Und du hast zwei Tage im Monat frei – an denen du zum Beispiel zu den Dorffesten gehen könntest, denn ihr Haus liegt ganz nah am Gebäude des
panchayat
und gleich neben der Kirche.«
    Dieses Argument gab schließlich den Ausschlag, und Jyoti freundete sich schnell mit der Idee an, dass sie nun bald im Dorf leben würde, wo all die schmucken Burschen den Mädchen am Brunnen nachglotzten.
    Makarand und Anuprabha sollten ebenfalls dieses Haus verlassen – um einen eigenen Hausstand zu gründen. Ihre Hochzeit war längst beschlossene Sache. Zwar hätte Amba sich für das Mädchen einen Mann gewünscht, der behutsamer mit ihren erschütternden Erlebnissen im

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