Der indigoblaue Schleier
mir deren Erfüllung möglich ist, werde ich es tun, und zwar ganz unabhängig von einer kostbaren Spende.«
Amba schmunzelte. »Das ist sehr freundlich von Euch, Padre. Aber Ihr sollt wissen, dass ich diese Statue, oder was auch immer es an Kirchenschmuck werden wird, ebenfalls ganz unabhängig davon stiften werde, ob Ihr Erfolg habt oder nicht. Es ist mir ein persönliches Bedürfnis, Euch meinen Dank zu zeigen.«
»Na schön. Also sprecht. Und bitte seid so ehrlich und offen, wie Ihr könnt.«
»Im Kerker in der Hauptstadt sitzt ein Mann namens Rujul ein. Er nennt sich auch Senhor Rui und ist ein angesehener Juwelier. Ich wüsste von keinem Verbrechen, das er begangen hat. Meiner Meinung nach ist er einer Intrige zum Opfer gefallen oder auch nur der Habgier der Inquisition.« Erschrocken über ihre eigene Offenheit wartete sie lauernd auf die Reaktion des Padre. Aber der nickte nachdenklich, als wolle er ihr zustimmen, könne es aber aus Loyalität zur Kirche nicht tun.
»Weder ich noch jemand aus meinem Umfeld kann sich für Rujul einsetzen, da wir selber sonst Gefahr laufen, inhaftiert zu werden. Ich möchte Euch bitten, diesen Mann aus dem Gefängnis zu befreien. Ihr könntet vielleicht behaupten, dass Frei Martinho Euch schickt, um den Mann zum peinlichen Verhör abzuholen, oder etwas in der Art.« Nun zog sie ein Säckchen hervor, in dem sich Goldmünzen befanden. »Dennoch werdet Ihr dies vielleicht brauchen. Alles, was davon übrig bleibt, soll Rujul bekommen.«
Der Geistliche nahm den Geldbeutel und ließ ihn unter seiner Soutane verschwinden. »Ich werde mein Bestes versuchen. Aber versprecht mir eines: Versucht auch Ihr Euer Bestes, in unserem Herrn Jesus Christus den zu erkennen, der er war, und nicht etwa eine Reinkarnation von Krishna. Er hat außerdem gar nichts mit dem zu tun, wie manche Vertreter der katholischen Kirche ihn und unseren Glauben an ihn, unseren Heiland, für unheilige Zwecke missbrauchen.«
»Das will ich Euch gern versprechen, Padre.«
Amba verabschiedete sich von dem Pfarrer, dem ersten katholischen Geistlichen, der ihr dazu geeignet schien, die Lehren des Christentums in der Welt zu verbreiten. Mit Güte und Großzügigkeit kam man ihrer Meinung nach weiter als mit Strenge und Engstirnigkeit.
»Ihr seid ein guter Mann, Padre«, sagte sie ihm dann auch. »Gebt auf Euch acht.«
»Und Ihr seid eine gute Frau, Dona Amba. Gebt ebenfalls gut auf Euch acht.«
Dann zog Amba ihren Schleier wieder vors Gesicht und verließ das Pfarrhaus, vor dem ihre Kutsche auf sie wartete. Erst als sie bereits darin Platz genommen hatte, fiel ihr ein, dass der Padre sich nun gar nicht dazu geäußert hatte, welche Art Schmuck für sein Gotteshaus er sich wünschte. Nun, sie würde ihm die Entscheidung abnehmen. Sie würde ein Abbild seines Heilands in Auftrag geben: eines gütigen, freundlichen, schönen und jungen Mannes, der nicht in der Stunde seines größten Leidens gezeigt wurde, sondern in einer Situation, die seine Barmherzigkeit widerspiegelte. Er sollte, nahm Amba sich vor, aus massivem Silber gefertigt werden und mannshoch sein.
Einige Wochen nach diesem Gespräch fand die Trauung von Anuprabha und Makarand statt. Es war ein herrlicher Tag, sonnig, warm und leicht windig, und alle waren gut gelaunt. Außer Anuprabha. Bis zuletzt hatte sie sich geweigert, ein weißes Brautkleid zu tragen, wie es bei den Europäern üblich war. »Diese Barbaren!«, ereiferte sie sich. »Wie kann man nur zur Hochzeit Trauerkleidung anlegen? Ich will einen roten Festtagssari!«
Amba erklärte ihr zum wiederholten Mal die Sitte der Portugiesen und versuchte dem Mädchen verständlich zu machen, dass es wichtig sei, sich angepasst und katholisch zu geben. »Anschließend«, beschwichtigte sie Anuprabha, »feiern wir im kleinsten Kreis eine indische Hochzeit. Zu der trägst du natürlich deinen roten Sari.« Das Mädchen hatte sich davon schließlich überzeugen lassen.
Makarand war alles egal. Er schwebte im siebten Himmel. Welche Kleidung er trug, welcher Art die Zeremonie war oder wie und wo gefeiert wurde, das war ihm vollkommen gleichgültig – solange er nur seine Anuprabha endlich zur Gemahlin bekam. Als er vor den Traualtar trat und Anuprabhas mürrisches Gesicht sah, wurde ihm ein wenig mulmig zumute. Sie würde doch wohl nicht im letzten Moment noch nein sagen? Aber dann bemerkte er, dass sie mit herabgezogenen Mundwinkeln an sich herabsah, und wusste, dass es noch immer die Garderobe war,
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