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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Unterfangen, in angeheitertem Zustand jedoch würde er sein Leben riskieren.
    Sie erreichten die Wohnungstür, vor der sich ein Diener auf seiner Kokosmatte eingerollt hatte. Carlos Alberto weckte ihn unsanft mit einem Fußtritt. Als sie die Tür von innen schlossen, hörten sie, dass der Mann schon wieder schnarchte. Miguel beneidete den Diener um die Kunst, überall und jederzeit schlafen zu können, die anscheinend in Indien weit verbreitet war. Er selber fürchtete, auf der dünnen Matratze, die Carlos Alberto auf dem Boden für ihn ausrollte, kein Auge zutun zu können. Aber er täuschte sich. Denn sein Freund setzte, als sie beide sich hingelegt und die Lampe gelöscht hatten, zu einer ausschweifenden Rede an, die ebenso belehrend wie einschläfernd war. Es ging um die Kirche, um Macht, Geld und die Glorie Portugals, so viel bekam Miguel im Dämmerzustand noch mit. Dann sank er in einen tiefen Schlaf.
     
    Die Inquisition war bereits vor mehr als siebzig Jahren in Portugiesisch-Indien eingetroffen. Zunächst blieb sie recht unauffällig. Zwar wurden Gebetsstätten der Hindus zerstört und die öffentliche Anbetung von Hindu-Göttern verboten, doch das Aufspüren vermeintlicher Hexen und Ketzer wurde bei weitem nicht mit derselben Vehemenz betrieben wie in Europa. Hinrichtungen waren äußerst selten – Enteignungen dagegen an der Tagesordnung. Betroffen waren davon vor allem wohlhabende Inder, denen man ihre Bekehrung zum Christentum nicht abnahm, ob nun zu Recht oder zu Unrecht.
    Je instabiler die außenpolitische Situation wurde, desto ärger schlug jedoch die Inquisition zu. Es war, als wollten die portugiesischen Geistlichen eine Macht demonstrieren, die dem Mutterland längst abhandengekommen war, denn seit 1580 wurde Portugal von einem spanischen König regiert. Und mit dem ungeliebten Herrscher hatte Portugal auch die Probleme Spaniens geerbt: War Portugal zuvor ein Verbündeter Englands gewesen, so waren diese zwei nun verfeindete Staaten. Die Macht und der Stolz der einst größten Seefahrernation der Welt wurden allmählich gebrochen, ihre unermesslichen Erlöse aus dem Gewürzhandel in Asien oder aus den Goldfunden in Brasilien wurden zunehmend geringer. Holländer, Franzosen und Engländer machten den Portugiesen Handelsrouten streitig und mischten immer stärker im Welthandel mit.
    »Niemand braucht Goa mehr als Umschlagsplatz für all die Güter, die zwischen Asien und Europa transportiert werden. Die Holländer haben die wichtigsten Faktoreien an der Straße von Malakka bereits unter ihre Kontrolle gebracht, und die Engländer haben eine Handelsgesellschaft gegründet, die immer mehr Stützpunkte in Indien errichtet. Der Mogulkaiser Shah Jahan unterstützt diese Ostindien-Kompagnie. Weißt du, was das bedeutet?«
    Erst jetzt, da Carlos Alberto seinen gelehrten Monolog unterbrach, bemerkte er, dass Miguel schlief.
    »Hörst du mir überhaupt zu?« Er streckte ein Bein aus dem Bett und stupste seinen Freund mit dem Fuß an. »He, wofür erzähle ich das alles eigentlich? Schenkst du mir jetzt bitte deine Aufmerksamkeit? Es ist wichtig.«
    Miguel brachte im Halbschlaf ein krächzendes »Ja« hervor.
    »Gut. Es bedeutet nämlich, dass der Gewürzhandel schon bald nicht mehr so einträglich sein wird. Mit einer derartig überwältigenden Konkurrenz werden die Preise verfallen.«
    »Hhm«, kam es von Miguel. Es gelang ihm sogar, sein Brummen als Frage zu intonieren.
    »Weil nämlich Portugiesisch-Indien, mit Goa, Diu und Damão, die nicht einmal zusammenhängende Landflächen sind, verschwindend klein ist im Vergleich zu dem Rest Indiens. Und den werden die Briten beherrschen, wenn es so weitergeht.«
    Allmählich regten sich Miguels Lebensgeister wieder. Verärgert über die nächtliche Störung, sagte er: »Müssen wir die Geschicke Indiens, die sich zu unseren Lebzeiten wohl kaum so drastisch ändern werden, wie du es beschreibst, unbedingt jetzt besprechen?«
    »Nein«, antwortete Carlos Alberto beleidigt. »Schlaf weiter.«
    Beide drehten sich auf ihrer jeweiligen Schlafstatt herum, so dass sie mit dem Rücken zueinander lagen. Miguel war jetzt hellwach. Er war wütend darüber, dass sein Freund ihn zu einer so ungünstigen Zeit mit seinen Visionen behelligte. Carlos Alberto war ebenfalls hellwach und ärgerte sich, dass Miguel seinen Ausführungen nicht folgte. Worauf warten? Am nächsten Tag würde sein Freund so bald wie möglich nach Hause reiten wollen, und eine Einladung ins Solar das

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