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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Mangueiras würde er, Carlos Alberto, während des Monsuns ausschlagen. Im Gegensatz zu Miguel war er niemand, der sich freiwillig auf unwegsames Gelände begab, zumal es während der Regenzeit in den Wäldern vor Schlangen und anderen gefährlichen Tieren nur so wimmelte. Ihn plagte zwar die Neugier, wie das Heim seines Freundes, das er nur von außen kannte, wohl von innen beschaffen war, aber das würde warten müssen.
    »Ich weiß, dass du wach bist. Und ich weiß, dass dir jetzt nicht danach ist, dir dies alles anzuhören. Aber ich muss das jetzt loswerden. Ich werde mich kurz fassen«, fuhr er fort, indem er sich im Bett herumdrehte und seinen Kopf auf einem Arm abstützte. »Also: Angesichts dieser weltpolitischen Lage habe ich das ungute Gefühl, dass der Handel mit Gütern aus Asien von anderen Nationen als von Portugal beherrscht werden wird. Und was bleibt dann für uns in Goa? Na?«
    »Was ist das, eine Prüfung?« Miguel drehte sich nun ebenfalls herum. »Sag es mir einfach, damit wir weiterschlafen können.«
    »Die Kirche!«
    »Amen.«
    »In Goa befinden sich mehr katholische Gotteshäuser als im Rest Asiens zusammengenommen. Jesuiten, Franziskaner, Benediktiner, Dominikaner, Augustiner sind hier, seit neuestem haben wir sogar den Santa-Monica-Convent und seine Nonnen.«
    »Schlimm genug. Und?«
    »Verstehst du denn nicht? Ganz gleich, wie der Krieg zwischen Spanien und Holland ausgeht, und unabhängig davon, wer Portugal regiert – der Klerus wird immer mitmischen.«
    »Willst du jetzt Mönch werden?«
    »Nein. Aber ich will an ihnen verdienen. An Mönchen, Nonnen, Dorfpfarrern, Bischöfen, Kardinälen – und …«
    »Dem Papst?«
    »Wenn’s sein muss, auch an dem. An ihrem Glauben, ihrem Aberglauben und vor allem an ihrem Bedarf an ›Utensilien‹ aller Art.«
    »Willst du Folterwerkzeuge verkaufen?«
    »Wenn sich damit Geld machen lässt … Aber nein, ich dachte vielmehr«, hier überschlug sich Carlos Albertos Stimme fast vor Begeisterung, »an Reliquien. Ist das nicht genial, Miguel? Reliquien! Sie werden immer mehr davon benötigen, Franzosen, Spanier und wer auch immer nach Asien drängt. Sie werden so viele Splitter vom Heiligen Kreuz brauchen, dass wir ganze Wälder abholzen müssen, und so viele Knochen von Märtyrern, dass wir den Leichenbestattern Konkurrenz machen können! «
    »Hast du mir nicht vorhin etwas über die Holländer und die Engländer erzählt? Erstere haben sich vom katholischen Glauben losgesagt, Letztere sind dabei, die Heiligen- oder Marienverehrung abzuschaffen.«
    »Der südliche Teil Hollands ist weiterhin den Spaniern untertan – und katholisch. Im Übrigen sind ja noch genügend Katholiken unterwegs, dass man mit ihnen sehr lukrative Geschäfte machen kann.«
    Miguel dachte über diese Geschäftsidee nach. Sie war im Grunde nicht schlecht, abgesehen von ihrer moralischen Verwerflichkeit. Aber warum belästigte Carlos Alberto ihn damit mitten in der Nacht?
    »Ich wünsche dir jedenfalls Glück. Und jetzt schlaf gut.«
    »Sag mal, begreifst du denn gar nichts? Wir müssen das zusammen machen!«
    »Warum?« Unwirsch drehte Miguel sich auf den Bauch und legte den Kopf auf seine verschränkten Arme. »Umgefallene Bäume findest du zurzeit massenhaft auf den Straßen außerhalb der Stadt. Hol dir einen und mach daraus Tausende von Reliquien.«
    »Ich brauche deine Hilfe.«
    »Ach?«
    »Nun ja, wenn jemand wie ich plötzlich mit Gegenständen handelt, die sehr wertvoll sind, wird sich doch jeder fragen, wie ich daran gekommen bin. Man wird mich entweder des Diebstahls bezichtigen oder des Betrugs.«
    »Zu Recht«, warf Miguel ein.
    »Das wiederum wäre ein wenig, äh, heikel, denn die Inquisition versteht in solchen Dingen wenig Spaß.«
    »Und ich kann dich vor dem – wohlverdienten – Scheiterhaufen bewahren?«
    »Mach keine Scherze darüber, Miguel. Ja, du könntest als derjenige auftreten, der einige Reliquien aus Portugal mitgebracht hat. Dir würde man es abnehmen. Du bist gerade erst hier eingetroffen, und du kommst aus einem reichen Elternhaus. Bei dir wäre es absolut glaubhaft, wenn du mit kostbaren Schätzen hierhergekommen wärst.«
    »Ich denke darüber nach – wenn ich ausgeruht bin. Einverstanden? Und jetzt: gute Nacht.«
     
    Miguel brauchte über den Vorschlag nicht lange nachzudenken. Er hatte schon nach wenigen Augenblicken gewusst, dass er sich für diesen Plan nicht missbrauchen lassen würde. Dennoch tat er am nächsten Morgen so, als

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