Der Infekt
viele Fragen und schaffen Unruhe in einem Umfeld, das ganz der Genesung dienen soll. Sind das etwa keine verdächtigen Umstände?«
Da gab Cotton ihr recht. Die falsche Identität hatte Lücken, die so groß waren, dass ein Jumbojet hindurchfliegen konnte. Seine Tarnung war offenbar mit heißer Nadel gestrickt worden. Er seufzte. Nachdem er Alec herumgeschleppt hatte, schmerzte seine Armverletzung heute besonders heftig.
»Glauben Sie, ich laufe freiwillig mit einer infizierten Schnittwunde herum, nur weil ich mich gerne von Krankenschwestern bemuttern lasse?«
»Ich bin keine Psychologin«, erwiderte Sheffer, »aber es gibt durchaus Menschen, die es genießen, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Sie werden geradezu süchtig danach.«
Das verschlug Cotton die Sprache.
»Und das ist noch eine freundliche Interpretation der ganzen Vorfälle. Vielleicht hat man Sie hergeschickt, um meine Klinik zu sabotieren. Oder Sie spionieren hier herum.«
»Das ist doch absurd. Sie sollten lieber mal ein Auge auf zwielichtige Leute wie diesen Cast … Ernesto halten.« Wenn das so weiterging, setzte diesmal die Klinik ihn vor die Tür. Mr High würde begeistert sein.
Cotton zwang sich zur Ruhe. Das fiel ihm leichter als sonst, da er immer noch mit den Nachwirkungen der Vergiftung kämpfte.
»Ich versichere Ihnen, Doktor, mein einziges Ziel hier ist es, fit zu werden. Vielleicht halten Sie mich für verrückt, aber ich sage die Wahrheit. Ich habe die Frösche mit eigenen Augen umherhüpfen sehen.« Cotton bekam Kopfweh. Er versuchte, den Schmerz mit dem Daumen wegzudrücken.
Sheffer hatte endlich ein Einsehen. »Wir sind alle müde. Freuen wir uns erst einmal darüber, dass der Junge und Sie unbeschadet geblieben sind. Vielleicht klärt sich alles. Ich werde die Kinder später noch einmal in Ruhe befragen.«
Dabei warf sie ihm einen aussagekräftigen Blick zu. Ich werde Sie genau im Auge behalten , verriet dieser Blick.
»Ich würde gerne …« Dabei sein , wollte Cotton fortfahren, doch in Anbetracht der Situation sagte er: »Ich würde gerne informiert werden, was dabei herauskommt.«
Sheffer nickte knapp und regulierte den Tropf an Cottons Bett. »Immerhin haben Sie mit Ihrer schnellen Reaktion nicht nur sich selbst, sondern auch den Jungen gerettet. Das möchte ich Ihnen gerne zugutehalten.«
»So was machen wir Leute mit Helfersyndrom doch gerne«, murmelte Cotton.
*
Den Rest des Tages verschlief Cotton. Dafür lag er in der Nacht auf den Sonntag wach und grübelte. Ein Anruf Sheffers bei Decker würde alle Verdachtsmomente gegen ihn ausräumen. Philippa konnte aufklären, dass er für die Regierung arbeitete und kein dubioser Selbstverstümmeler war. Aber Mr High wollte ihn hier in der Klinik haben, und Cotton würde den Teufel tun und zu Kreuze kriechen, nur weil es kompliziert wurde.
Außerdem wurde seine Situation nicht besser, wenn Mrs Sheffer Bescheid wusste. Er konnte nicht für ihre Diskretion bürgen. Gut möglich, dass Sie mit Castelli gemeinsam in krumme Geschäfte verstrickt war.
Wer immer etwas gegen ihn plante, wäre möglicherweise gewarnt. Oder schlimmer noch, er wurde provoziert. Andererseits konnte Cotton das auch zu seinem Vorteil nutzen. Er musste dem Unbekannten die Gelegenheit zum Zuschlagen geben und ihn in eine Falle locken.
In nächster Zeit musste er alle Sinne aufs Äußerste gespannt halten.
9
Sonntag, 20. Juli, Belfort-Privatklinik
Am Sonntagmorgen in der Frühe maß Schwester Hernandez Cottons Temperatur.
»Tut mir leid wegen der Extraarbeit«, sagte er. »Kann ich heute wieder aufstehen? Ich werde hier sonst noch verrückt.«
»Sie sollten in Ihrem Zustand lieber im Bett bleiben«, riet die Pflegerin ein wenig reserviert. »Aber wenn Dr. Carter nichts dagegen einzuwenden hat, können Sie im Lauf des Tages wieder in Ihr Privatzimmer umziehen.«
Das war ganz in Cottons Sinne. Er glaubte keiner Beteuerung mehr, die ihm seine Sicherheit garantierte. Ein Mann war bereits gestorben. Auch die Kinder gestern waren nur knapp dem Tod entgangen. Er musste diesen Sumpf trockenlegen – doch wie sollte er den Mörder aus der Reserve locken, wenn er auf der Krankenstation unter Dauerbeobachtung stand?
Immerhin hatte er neben seinem Hauptverdächtigen eine Spur. »Ich würde gerne mal mit Jeff Zaninski sprechen. Wissen Sie, wann er das nächste Mal hier in der Klinik ist?«
»Wegen der Frösche?« Schwester Hernandez fragte nicht, woher Cottons Kenntnisse über Zaninski
Weitere Kostenlose Bücher