Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe A. O. Heinlein
Vom Netzwerk:
Zollformalitäten fast so lang wie der Flug selbst; ein Phänomen, das Green nie verstehen würde.
    Er verließ das Flughafengebäude durch einen Seiteneingang und strebte dem Sonderparkplatz neben dem Gebäude der Flughafenpolizei entgegen. Dort hatte er zwei Wochen zuvor sein Auto abgestellt. Nachdem er hinter dem Lenkrad des dunkelgrauen Mercedes Platz genommen hatte, schob er die meistgespielte Kassette seiner Musiksammlung in den Recorder, und während ihn die ersten Takte des dritten Satzes von Mozarts Sinfonie Nr. 34 in Hochstimmung versetzten, ließ er den Motor an. Nach knappen zwanzig Minuten parkte er den Sechszylinder in der Tiefgarage des Hauptquartiers an der St. James' Gate. Drei Minuten später saß er hinter seinem heißgeliebten Schreibtisch und holte aus der Tasche seiner ausgebeulten Jacke eine zerknitterte Zigarettenschachtel hervor. Als das Stäbchen glühte, griff er zum Telefonhörer und wählte die Nummer des Chefvorzimmers.
    »Ah, Dr. Green. Wieder zurück?«
    »Nein, dies ist eine Tonbandaufnahme! Hallo, Yvonne, ist der Chef da?«
    Yvonne Hartfield lachte laut auf. »Du bist ein blöder Kerl, ehrlich. Nein, der Chef ist nicht da. Er hat eine Besprechung mit dem Innenminister und ein paar Wirtschaftsleuten. Er war nicht sicher, ob er heute noch mal ins Büro kommt.«
    Green seufzte übertrieben. »Meine Güte, wie schrecklich! Was mach ich denn jetzt bloß?«
    »Tja, mein Lieber, es sieht nicht gut aus. Heute wirst du wohl auf die Streicheleinheiten deines Vorgesetzten verzichten müssen. Aber dir fällt bestimmt eine Alternative ein.«
    Green grinste. »Oh, ich weiß schon. Wenn Abbott nicht da ist, könnte ich doch zu dir rüberkommen; dann läßt du mich deine Schreibmaschine sein und tippst was im Zehnfingersystem.«
    Green verstand noch so etwas wie »Alter Spinner«, dann hatte Yvonne lachend aufgelegt.
    Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und rieb sich leicht die Hände. Soso, der Chef war also nicht da. Da konnte man sich ja jetzt ohne Zögern den angenehmen Seiten des Lebens widmen. Hoffentlich hielt sich Jeanne gerade im Büro auf. Green drückte seinen Glimmstengel aus und tippte dann die vertraute Nummer der Daily Mirror - Zentrale in die Telefontastatur. Nach drei Freizeichen wurde auf der anderen Seite abgenommen.
    »Chefredaktion, Lumadue.«
    »Hallo, Goldstück, dein Adonis ist wieder da!« verkündete Green selbstbewußt.
    Es dauerte einige Augenblicke, bis Jeanne die richtige Antwort gefunden hatte. »Oh, du eingebildeter Fatzke! Hier laufen den ganzen Tag gelungene Mischungen aus Robert Redford, Sean Connery und Harrison Ford über die Flure. Denkst du, da hätte ich Zeit, an dich zu denken?«
    »Auch nicht … manchmal?« fragte Green in gespielt verzweifeltem Ton.
    Er hörte seine Freundin leise lachen, bevor sie antwortete. »Doch, du Dummer, manchmal schon. Aber nur manchmal! Wie waren übrigens die Damen in Wien?« fragte sie spitz.
    »Hm, eher … Konfektionsqualität.«
    »Chauvi!«
    »Giftnudel!«
    »Ich freu mich, daß du wieder zurück bist!«
    »Tatsächlich? Dann hast du wahrscheinlich vergessen, daß du heute abend mit mir zum Essen verabredet warst, he?«
    Jeanne schnaufte entrüstet. »Wo denkst du hin? Wie könnte ich das vergessen? Ich war gestern sogar extra bei der Maniküre und im Sonnenstudio!«
    Greens Gedanken wuchsen Flügel. Was hatte das mit Essen zu tun? Nichts, rein gar nichts! Wie wunderbar! Das konnte ja noch spannend werden heute abend.
    Da kam aber schon der Tiefschlag.
    »Hör mal«, flötete Jeanne, »hättest du was dagegen, wenn ich eine alte Freundin mitbringe? Sie hat im Moment ein paar Probleme und muß sich mal ausweinen.«
    Green hatte das Gefühl, als wäre ihm gerade ein Eimer Eiswasser über den Kopf geschüttet worden. »Äh, bitte? Wen … äh … willst du …?«
    Jeanne lachte laut auf. »Oh, Idwood, du Schlingel! Du bist erkannt. Schwimmt dir gerade mein Fell davon? Komm, sei ehrlich! Du willst mich heute abend noch in deine Höhle locken, stimmt's?«
    »Nun, ja …«, antwortete Green zerknirscht.
    »Alles andere hätte mich auch enttäuscht. Mach dir keine Sorgen, Idwood, sie wird nicht allzulange bleiben. Sie ist nur nicht gut drauf zur Zeit und braucht ein wenig Zuspruch. Einverstanden?«
    »Klar, keine Frage. Einverstanden. Soll ich euch abholen?«
    »Nein, wir kommen direkt ins Spaniard's Inn. Um halb neun?«
    »Halb neun ist perfekt, kleine Jeanne. Ich freu mich drauf. Bis dann!«
    »Bis dann, alter Heuchler.

Weitere Kostenlose Bücher