Der Insulaner
hatte, festigen. Naraya war bereits fort, um bei den Geistersprechern die Runde zu machen, die er zu dem Treffen mitbringen wollte.
Die versammelten Krieger brachen in Jubelrufe aus und schwenkten die Waffen, als Hael und Deena davonritten. Nur wenige hatten den Kampf gegen Impaba mitangesehen, aber die Kunde davon hatte sich in Windeseile verbreitet und das, was man üblicherweise als Streit zweier Männer um eine Frau abgetan hätte, war bereits zu einer Heldensaga geworden.
Zuerst ritten sie in gemächlichem Tempo nach Norden, denn Hael erinnerte sich nur zu gut an die Schmerzen, die ihm die ersten Tage im Sattel beschert hatten. Vielleicht wäre es für Deena leichter gewesen, ein Nusk zu reiten, aber Hael wollte sie ihren Leuten auf dem Rücken eines Cabos vorstellen. Auf gar keinen Fall sollte sie wie eine geflohene Sklavin wirken.
In den ersten Tagen durchquerten sie hügeliges Gelände, doch je weiter sie nach Norden kamen, umso unebener wurde der Boden, Anfangs war er noch mit Gras bedeckt, später mit Büschen und Sträuchern. Dann tauchten die ersten Bäume auf, und schließlich wurden Berge aus den Hügeln, und dichte Wälder erhoben sich auf ihnen.
Deena erzählte, dass sie schon bald den ersten Matwa begegnen würden. Lange, ehe sie sich zu erkennen gaben, würden die Matwa die Fremden beobachten und sich überlegen, ob sie sich den Eindringlingen zeigen und sie in eines der Dörfer mitnehmen sollten. Bittere Erfahrungen hatten ihr Volk gelehrt, dass die meisten Fremden auch Feinde waren, und selbst ein harmlos aussehendes, ganz offen reisendes Paar, von dem eine Person wie eine Matwa aussah, konnte ausgeschickt worden sein, um für eine in der Nähe wartende Kriegertruppe zu spionieren.
Während dieser Tage und Nächte lernten sich Hael und Deena besser kennen und sprachen über ihre Stämme und ihr früheres Leben. Sie hatten wenig gemeinsam, der schon als Kind ausgestoßene Waisenknabe und die verwöhnte Tochter eines Häuptlings. Ihr Volk lebte in Dörfern im Hügelland und ernährte sich von Ackerbau und Jagd, seine Leute waren Hirten der Steppe. Bei den Matwa lebten Großfamilien in geräumigen Häusern, bei den Shasinn mussten die Knaben in Kriegerbruderschaften aufwachsen und hausten in winzigen Hütten.
Hael erzählte Deena von der Zeit auf See. Sie vermochte sich den riesigen Ozean nicht vorzustellen, da sie noch kein Gewässer gesehen hatte, das größer war als ein Gebirgssee.
»Du sprichst mit großer Zuneigung von diesem Malk«, bemerkte sie einmal. »Auch Shong bist du sehr zugetan. Warum?«
Hael dachte eine Weile darüber nach. »Sie lehrten mich, dass nicht nur Krieger tapfer sind und auch andere Männer als Geistersprecher klug und weise sein können.« Er berichtete ihr außerdem von seiner leidenschaftlichen Beziehung zu Shazad. Deena war vollkommen sicher, dass die Frau eine Hexe sein musste, die ihn verzaubert hatte und später Agah anheuerte, um ihn zu töten.
Die junge Frau erzählte Hael von ihrer Gefangenschaft. Es war eine lange Leidensgeschichte voller Demütigungen und Qualen, und sie litt während des Sprechens. Hael versicherte ihr, dass dies endgültig vorüber sei und sie nach vorn schauen müsse. Von nun an würde sie eine hoch geachtete Dame sein, die erste seines Volkes. Natürlich wusste er, dass sie ihre Erlebnisse nie vergessen würde, so lange Impaba am Leben war. Er wusste auch, dass er ihnen beiden Kummer beschert hatte, als er Impaba das Leben schenkte, hielt seine Entscheidung aber nach wie vor für richtig.
Sie hielten sich bereits zwei Tage in den höher gelegenen Gebieten auf, als sie dem ersten Matwa begegneten. Hael und Deena durchquerten gerade ein kleines Tal mit recht ebenem Boden und ritten entlang eines Baches. Im ganzen Tal wuchsen hohe Bäume, höher als alle, die Hael aus seiner Heimat kannte. Die Stämme standen weit auseinander, und es gab nur wenig Unterholz, aber überall, wo es den Sonnenstrahlen gelang durchzukommen, reckten bunte Blumen ihre Köpfe empor.
Der Bach strömte rauschend über ein paar Steine, und – wie Hael später klar wurde – sein munteres Plätschern machte es unmöglich, die Matwa zu hören. Er bewunderte ihre Geschicklichkeit, sich genau in diesem Augenblick zu zeigen. Der Wind stand hinter ihnen, und so scheuten auch die Cabos nicht, da sie keine Witterung der Fremden aufnehmen konnten.
In einem Augenblick ritten Hael und Deena allein durch ein hübsches Tal, und im nächsten Moment sahen sie sich zwanzig
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