Der Insulaner
auszuzahlen, sondern nur, wenn er nicht am folgenden Morgen auf die Jagd gehen wollte. Sein Entschluss gefiel ihnen überhaupt nicht, aber sie vermochten ihn nicht umzustimmen.
So bestritt Hael seinen Lebensunterhalt, und nach einer Weile gewöhnten sich die Küstenbewohner an den seltsamen, einzelgängerischen Shasinn, der auf die Jagd ging. Von Zeit zu Zeit legten Schiffe im Hafen an, aber Hael zeigte wenig Interesse daran. Aus irgendeinem Grund wartete er auf die Wellenfresser und schien bereit, so lange auszuharren, bis sie eines Tages vor Anker ging.
Gegen Ende der schönen Jahreszeit, als es schon so aussah, als müsse er viele Monate im Dorf verbringen, ehe die Stürme vorüber waren und das erste Schiff wieder einlief, schritt er mitsamt seinen Trägern, die ein fettes Dreihorn schleppten, die Hügel hinab, als er ein Schiff mit gelb-schwarzem Rumpf am Pier entdeckte.
Im Hafen angekommen, lief er zu dem Schiff und erkannte sofort ein vertrautes Gesicht. »Shasinn! Man hat mir erzählt, dass euer Stamm nicht weit von hier lebt.«
»Und ich habe auf dich gewartet«, erklärte Hael. »Bei unserer letzten Begegnung hatten wir keine Zeit, uns noch weiter zu unterhalten. Ich würde das Gespräch gerne fortsetzen.«
»Herzlich gern, heute Abend, in der Taverne. Aber leider laufen wir morgen schon wieder aus. Ich bin spät dran und kann von Glück sagen, wenn ich das Festland erreiche, ehe die mörderischen Stürme zu toben beginnen.«
»Wir haben sehr viel Zeit, uns zu unterhalten«, beruhigte ihn Hael.
KAPITEL SECHS
D as Leben auf See stellte sich als ausgesprochen eigenartig heraus. Hael hatte sich bisher nie Gedanken darüber gemacht, denn die Shasinn wussten nichts über die Lebensweise der Seeleute, und schon die Boote der Fischer hatten Hael sehr beeindruckt. Das Dasein der Bauern, der Fischer und der Jäger unterschied sich sehr von dem der Hirten, aber nie hatte Hael sich vorstellen können, dass er einmal auf so fremdartige Weise würde leben müssen.
Statt des gemächlichen, recht unbeschwerten Hirtenalltags lernte er nun das aufregende, von hunderten von Pflichten und Gefahren bestimmte Leben eines Seemanns kennen. Viele gefährliche Situationen auf dem Meer, die die Sicherheit des Schiffes bedrohten, ergaben sich ohne Vorwarnung und mit erschreckender Plötzlichkeit. Die Disziplin, die einem Matrosen abverlangt wurde, war Hael völlig fremd; eine gewöhnliche Wache ähnelte eher dem Warten der Shasinn auf einen Asasaangriff. Die Verwandlung, die mit seinem Freund Malk in dem Augenblick vor sich ging, als die Wellenfresser ablegte, verblüffte den jungen Mann zutiefst. Aus dem unbeschwerten, redseligen und neugierigen Gefährten der Nacht wurde ein befehlsgewohnter Tyrann, der absoluten Gehorsam erwartete und auch erhielt, sobald er eine Anweisung erteilte. Anfangs war Hael erstaunt und ein wenig verärgert, fand aber durch Gespräche und die Beobachtung der Matrosen heraus, dass dies die rechte Weise war, ein Schiff zu kommandieren. Sobald sie das Land aus den Augen verloren, begriff der Junge, dass ein Schiff ein recht zerbrechlicher, mit Lebewesen beladener Behälter war, der sich inmitten eines vollkommen feindseligen und unbestechlichen Elementes befand. Das Leben jedes Mannes hing von den Taten seiner Gefährten ab, und sie alle mussten sich auf die Geschicklichkeit und Tüchtigkeit des Kapitäns verlassen können.
Nach ein paar Stunden an Bord bereitete das Wogen des Schiffes Hael Übelkeit, und er bemerkte, dass dies bei den Matrosen für Belustigung sorgte. Schließlich verrieten sie ihm, dass jeder neue Mann an Bord darunter zu leiden habe und es eine althergebrachte Sitte sei, dass sich die gestandenen Seeleute auf Kosten der armen Landratten amüsierten. Haels robuste Gesundheit setzte sich jedoch schnell durch, und schon am dritten Tag war er in der Lage, die ihm zugewiesenen Pflichten zu erfüllen.
Anfangs teilte man ihm mangels Erfahrung nur Arbeiten zu, die nichts als Kraft erforderten. Er hängte sich an die Seile der Ankerwinde und half dem Steuermann, die riesige Ruderpinne zu bewegen. Er schrubbte das Deck, zog, zerrte und führte alle Arbeiten aus, die man ihm auftrug. Dabei lernte er viel. Häufig herrschte hektische Betriebsamkeit an Bord, aber es gab auch längere Mußezeiten, wenn das Schiff von einem stetigen Wind vorangetrieben wurde und die Besatzung sich ausruhen konnte. Nur der Steuermann musste am Ruder bleiben, und der Kapitän, dessen Pflicht es war,
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