Der italienische Geliebte (German Edition)
fallen – Jack tut endlich mal was Nützliches.«
»Sind Sie der Älteste?«
»Der Dritte von vieren. Erst George, dann Marcia, dann ich und zuletzt Rose.«
»Sind die anderen verheiratet?«
»George und Marcia, ja. Marcia hat zwei kleine Söhne. Ich vermute, George und Alexandra – das ist seine Frau – werden auch irgendwann mal mit ihrem ewigen Gezänk aufhören, um einen Erben zu produzieren. Rose ist erst sieben, also noch nicht im heiratsfähigen Alter.«
»Wie schön, so eine kleine Schwester zu haben.«
»Ja, Rose ist wirklich süß. Verrückt nach Hunden und Pferden.«
»Was macht Ihr Bein?«
»Ganz in Ordnung.«
Aber sie bemerkte, wie er jedes Mal die Zähne zusammenbiss, wenn er Gas gab, und sagte: »Ich bin ziemlich hungrig. Können wir irgendwo anhalten und etwas essen?«
»Mal sehen, ob ich ein Plätzchen finde.«
Er fuhr noch ein paar Kilometer weiter. Als vor ihnen ein grasbewachsener Hang mit vereinzelten Silberbirken auftauchte, lenkte er den Wagen an den Straßenrand und fuhr ein Stück den Hang hinauf. Die Bäume warfen lange, schmale Schatten, und am Himmel war der Mond herausgekommen. Goldgelb und rund hing er tief über ihnen. Im Licht der Scheinwerfer setzten sie sich ins Gras, Freddie riss das restliche Brot in zwei Hälften, und Jack teilte mit seinem Taschenmesser den Käse.
»Ich möchte mir den Verband noch einmal ansehen«, sagte er und stieg den Hang hinauf, wo die Bäume dichter standen. Freddie gähnte, streckte sich und begann, die Reste ihres Mahls aufzuräumen. Es war jetzt fast dunkel, und sie glaubte, den Schrei einer Eule zu hören, aber immer wenn sie lauschte, schien er zu verklingen und sich im Rascheln der Bäume zu verlieren.
Dann hörte sie plötzlich etwas anderes, das tiefe Brummen eines Fahrzeugs irgendwo auf der Straße, die sie gerade gekommen waren. Sie lief zum Auto und schaltete den Motor und mit ihm die Scheinwerfer des Fiats aus. Das Motorengeräusch wurde lauter. Freddie stand reglos, als unten auf der Straße, nur wenige Meter entfernt, ein großer schwarzer Wagen vorbeifuhr, in dem vier Männer saßen. Sie glaubte, gesehen zu haben, dass zwei von ihnen Uniform trugen, war sich aber nicht sicher.
Als der Wagen verschwunden war, drehte sie sich um und sah Jack aus den Bäumen kommen. »Glauben Sie, die haben uns gesucht?«, fragte sie.
»Keine Ahnung. Es hat wahrscheinlich nichts mit uns zu tun.« Er schob das übrige Verbandszeug in seine Jackentasche. »Aber warten wir vorsichtshalber fünf Minuten ab.«
Sie gingen zum Wagen. Er war ein Spion, sagte sich Freddie, und sie hatte ihm geholfen, vor der Polizei zu fliehen. Sie war in einem gestohlenen Auto in einem fremden Land auf der Flucht. Sie steckte, wenn auch gegen ihre Absicht, tief in der Geschichte drin, und wenn sie gefasst wurden, würde sie der Strafe nicht entkommen. Wurden Spione nicht erschossen? Ihr wurde flau bei dem Gedanken.
Sie warteten schweigend. Dann sagte Jack: »Am besten halten wir uns von der Küstenstraße fern. Ich suche uns einen Weg durchs Hinterland.« Freddie ließ den Motor an.
Sie nächtigten im Auto. Nachdem sie zwei Stunden auf schmalen Straßen über Berg und Tal gefahren waren, parkten sie an einem Bach, der unter Tannen dahinfloss. Jetzt würden sie erst einmal ein paar Stunden schlafen, sagte Jack, dann verschränkte er die Arme auf der Brust und lehnte sich mit geschlossenen Augen in seinem Sitz zurück.
Freddie war todmüde, aber ihre Gedanken gönnten ihr keine Ruhe. Was für ein langer, ungewöhnlicher und aufwühlender Tag. Einzelne Szenen und Bilder hatten sich ihrem Gedächtnis aufgedrückt wie Muster auf einen Stoff. Tessa, wie sie sich in ihrem grünen Kleid von ihr entfernte. Der Kuss: Ich tue das für König und Vaterland. Der Apotheker in Montecatini, das große schwarze Auto auf der Küstenstraße.
Sie erwachte bei Morgengrauen aus unruhigem Schlaf. Jack schlief noch. Während sie ihn betrachtete, ertappte sie sich dabei, dass sie versuchte, sich sein Profil einzuprägen: gut geschnittenes Kinn, die Nase fast gerade mit einem kaum wahrnehmbaren kleinen Buckel, ein klar modellierter Mund, und das strohblonde Haar, das ihm in die Stirn fiel. Ein schönes Gesicht. Sie hatte ihn geküsst und jetzt schlief sie in gewisser Weise mit ihm. Es traf sie wie ein Schock, als sie merkte, dass sie ihn trotz des Ärgers über die herrische Art, wie er sich ihr aufgezwungen hatte, anziehend
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