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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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    »Mit dem Üblichen – Alter, Herkunft, Geburtsort, Familie, Beruf.« Sie streifte vorsichtig die Socke ab. »Ach, und wieso Sie mit einer Schusswunde im Bein in Florenz herumrennen.«  
    Er hatte Schweiß auf der Stirn, und in seinem Bein, unmittelbar über dem Knöchel, klaffte eine tiefe Wunde. Hatte sie etwas da, um sie zu reinigen? Sie wühlte in ihrem Koffer und fand ein kleines Handtuch und eine Tube Wundsalbe.  
    »Okay«, sagte er. »Zweiundzwanzig Jahre alt. In Norfolk geboren. Eltern leben nach letzten Meldungen noch. Zwei Schwestern und ein Bruder – Marcia und Rose sind prima, Bruder George ist ein alter Langweiler. Beruf – nichts zu vermelden eigentlich. Ich bin ein bisschen gereist. Ich mag Italien.«  
    Freddie tupfte mit einem Handtuch an der Wunde herum. »Sie sprechen sehr gut Italienisch.«  
    »Danke. Ich habe eine ganze Weile hier gelebt.«  
    »Wenn wir Wasser hätten, könnte ich das hier richtig säubern. Ich versuche jetzt einfach nur, das Blut wegzuwischen.«  
    »Ah, ehemalige Pfadfinderin, Miss Nicolson?«  
    »Stimmt«, sagte sie kurz. »Erzählen Sie weiter.«  
    »Na ja, ich kenne da ein paar Leute im Außenministerium. Und vor zwei Jahren meinten sie, sie hätten ganz gern eine Ahnung davon, wie Italien sich verhalten wird, wenn es Krieg gibt.«  
    »›Wenn‹«, wiederholte sie zu ihm hinaufblickend. »Nicht ›falls‹?«  
    »Nein, ›wenn‹. Tut mir leid.«  
    Oh, Tessa, dachte sie.  
    »Sie baten mich, die Ohren offen zu halten, solange ich hier sei. Rauszukriegen, aus welcher Richtung der Wind weht. Das habe ich brav getan. So ging’s dann weiter und mit der Zeit ist es ein bisschen ausgeufert. Fragen Sie ein bisschen herum, reden Sie mit diesen oder jenen Leuten, versuchen Sie herauszufinden, ob Mussolini schon kriegsbereit ist und auf wessen Seite er sich voraussichtlich schlagen wird. Versuchen Sie, an Informationen zu kommen, wie es mit der Rüstung steht und dergleichen mehr.«  
    Ihr Herz klopfte unangenehm heftig. »Sie sind ein Spion«, stellte sie fest.  
    »Ja, so kann man wohl sagen.« Er zuckte zusammen. »Aua!«  
    Sie warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. »Stellen Sie sich nicht an.«  
    »Wir Briten buhlen seit Jahren um Italien. Das Falscheste, was wir tun konnten.« Es klang ärgerlich.  
    »Wieso?«  
    »Weil wir in dieser Zeit lieber alles hätten daran setzen sollen, uns mit der Sowjetunion zu einigen. Aber das haben wir natürlich nicht getan, weil wir solche Angst vor dem Kommunismus haben. Die Regierung war offensichtlich nicht fähig zu erkennen, dass der Faschismus die weit größere Bedrohung ist. Erst jetzt scheint ihnen langsam ein Licht aufzugehen, aber ich habe das üble Gefühl, dass es schon zu spät ist.«  
    Max hatte Ähnliches gesagt. Freddie hatte die Wunde gesäubert, so gut es ging. Sie musterte sie mit skeptischem Blick. »Sie sollten zu einem Arzt gehen. Vielleicht steckt noch eine Kugel drin.«  
    »Das glaube ich nicht. Ich bin sicher, dass es nur ein Streifschuss war.« Er lächelte. »Außerdem habe ich uneingeschränktes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten, Miss Nicolson.«  
    »Bei den Pfadfinderinnen lernt man nicht, Schusswunden zu nähen.«  
    Er lachte laut. »Nein. Verdammt schade.«  
    »Sie haben mir noch nicht erklärt –«  
    »Die ersten Male ging alles gut. Ich gab meine tiefschürfenden Erkenntnisse weiter, sie tätschelten mir den Kopf und schickten mich nach Italien zurück. Aber diesmal muss ich’s vermasselt haben, denn als ich gestern Abend in meine Wohnung zurückkam, warteten dort zwei finstere Kerle auf mich. Ich konnte gerade noch abhauen. Ich habe dann den ersten Zug aus Rom hinaus genommen –«  
    »Rom?«  
    »Ja, da lebe ich. Ich bin nur bis Arezzo gekommen, aber heute Morgen in aller Frühe hat mich dann zum Glück ein Auto bis nach Florenz mitgenommen. Ich dachte, ich hätte sie abgeschüttelt, aber als ich zum Bahnhof kam, haben sie mich schon erwartet. Sie wollten mich schnappen, und einer hat mir das Ding am Bein verpasst.«  
    Sie bat ihn, das gefaltete Handtuch auf die Wunde zu drücken, während sie einen Baumwollrock in Streifen riss. Sie hatte den Rock immer gern getragen – schon zwei Sachen waren jetzt hin, der Rock und der Schal. Ausgerechnet sie, die sich immer bemühte, die Grenzen der Vernunft einzuhalten, dachte sie erbittert, musste in dieses gruslige Abenteuer hineingeraten.  
    Während sie Baumwollstreifen um sein Bein wickelte, sagte er:

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