Der italienische Geliebte (German Edition)
waren zerkratzt und verdreckt, ihr Kleid sah aus, als wäre es nie gebügelt worden, und ihr war fast schwindlig vor Müdigkeit. »Das nennen Sie in Ordnung ?«
»Miss Nicolson, es tut mir leid, dass ich Sie da hineingezogen habe.« Wenigstens wirkte sein Bedauern jetzt echt. »Wenn Sie allein weiterreisen wollen, verstehe ich das vollkommen und werde nicht versuchen, Sie davon abzuhalten.«
»Ich kann mir nicht vorstellen«, entgegnete sie sarkastisch, »dass hier stündlich Busse verkehren.«
»Da haben Sie wahrscheinlich recht. Allenfalls Fuhrwerke, von denen eines Sie mitnimmt, wenn Sie Glück haben. Nein, im Ernst, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Der Mann hier hat mir angeboten, uns einen Weg zu zeigen, der um La Spezia herumführt. Er will uns sogar ein Stück lotsen.«
»Und woher wissen wir, dass wir ihm trauen können?«
»Das wissen wir leider nicht. Aber wir haben keine große Auswahl.«
Einen Moment lang starrte sie ihn finster an, dann machte sie auf dem Absatz kehrt, ging zum Wagen, schlug krachend die Tür zu und ließ den Motor an. Der Schmied sprang in seinen kleinen Laster, und Freddie folgte ihm in die kleine Straße hinter dem Haus. Der Lastwagen führte sie landeinwärts, tiefer in die Berge hinein. Ich will nur nach Rapallo, dachte sie bei sich, dann kann ich abhauen. Sie konnte es kaum erwarten, ihn loszuwerden.
Unwillkürlich stöhnte sie plötzlich laut auf. Jack sagte: »Was ist los? Geht es Ihnen nicht gut?«
»Hat der Schmied etwas gesagt, ob die Polizei auch von mir weiß?«
»Ja, leider. Eine junge Engländerin – helle Haut, dunkle Haare und dunkle Augen. Schien es eilig zu haben. Eine ziemlich treffende Beschreibung, finde ich.«
Sie wusste, ohne hinzusehen, dass er wieder lächelte. Sie reagierte nicht, sie hielt den Blick unverwandt auf die Straße gerichtet, die immer weiter anstieg. Wenn die Polizei auch nach ihr suchte, konnte sie es nicht riskieren, die Grenze im Zug zu überqueren. Sie hatte keine andere Wahl, als in einem verflixten Fischerboot nach Frankreich zu schippern. Am liebsten hätte sie gleich noch einmal gestöhnt.
Die Straße war voll tiefer Schlaglöcher, und der Fiat wurde fortwährend von heftigen Stößen erschüttert. »Sie müssen hochtourig fahren, kleiner Gang, viel Gas«, sagte Jack, der sich am Armaturenbrett festhielt. Sie sah, wie er das Gesicht verzog, wenn das Auto einen Satz machte.
Sie waren dem Schmied mit seinem Laster mehrere Kilometer weit in die dicht bewaldeten Vorberge der Apenninen gefolgt und hatten noch eine genaue Beschreibung des weiteren Wegs mitbekommen, bevor er umgekehrt war. Als die Rücklichter seines Wagens verschwunden waren, schien die Landschaft noch einsamer zu werden. In den nächsten Stunden sprachen sie wenig. Jack gab Freddie Anweisungen und fragte hin und wieder, ob sie anhalten wolle. Jedes Mal schüttelte sie den Kopf. Sie fuhr, so schnell das Gelände es zuließ, gehetzt von dem Wissen, dass auf sie Jagd gemacht wurde. Immer wieder blickte sie in den Rückspiegel, aber auf diesen kleinen ruhigen Landstraßen gab es kaum andere Fahrzeuge. Einmal führte ihr Weg sie auf einem tief zerfurchten grünen Trampelpfad durch einen Wald an einem Lager mit bemalten Wohnwagen und Pferden vorbei. Eine Frau mit einem Säugling im Arm hockte neben einem Kessel, der über offenem Feuer aufgehängt war. Ihr Blick folgte dem vorüberrumpelnden Fiat.
Aus dem Schutz der Bäume gelangten sie in freies Land. Ein Raubvogel kreiste, von einem Luftstrom getragen, über ihnen, und die Wiesen waren mit Blumen aller Farben gesprenkelt. Einen Moment lang vergaß Freddie ihre Angst, bezaubert von so viel ländlicher Schönheit. »Ich fürchte, da braut sich etwas zusammen«, bemerkte Jack und wies nach Osten. Über den scharf gemeißelten grauen Bergspitzen brodelten Wolkenmassen.
Freddie hatte den Eindruck, dass sich während der Fahrt zum gewohnten Quietschen und Scheppern des Fiats ab und zu noch ein röchelndes Pfeifen gesellt hatte. Die Wolken holten sie ein, und Regentropfen so groß wie Pennys klatschten auf die Windschutzscheibe. Der Scheibenwischer war so abgenutzt, dass Freddie durch die schmutzigbraune Brühe auf dem Glas kaum etwas erkennen konnte. Sie beugte sich vor, um besser sehen zu können, und nahm den Fuß vom Gas. Das Fahren strengte sie so sehr an, dass sie sogar ihre Angst vergaß.
Das Pfeifen wurde immer durchdringender. Als sie einen steilen Hang
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