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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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»Jetzt sind Sie dran.«  
    »Ich?«  
    »Geburtsort?«  
    »Italien.«  
    Er zog die Brauen hoch. »Und wohin wollten Sie vorhin den Zug nehmen?«  
    »Ich wollte nach England. Da lebe ich seit meinem zwölften Lebensjahr.«  
    »Eltern?«  
    »Beide tot. Ich habe eine Schwester, die in Florenz lebt.«  
    »Beruf?«  
    Sie steckte den provisorischen Verband mit einer Sicherheitsnadel fest. »Ich arbeite für eine Frau namens Parrish, schreibe Briefe, mache die Ablage und dergleichen.«  
    Na bitte. Ihr Leben in wenigen klaren Sätzen zusammengefasst. Irgendwie ziemlich mager. Jack war beängstigend blass – wenn er das Bewusstsein verlor, wäre sie dann wirklich fähig, ihn hier im Stich zu lassen, wo er womöglich verblutete oder, vielleicht genau so schlimm, von der italienischen Polizei gefasst werden würde? Nein, wohl nicht; es wäre unmenschlich, und außerdem setzte er sich ja anscheinend für sein Land ein – für ihrer beider Land. Und das hieß, dass sie an ihn gefesselt war, ob es ihr passte oder nicht, bis sie Italien verlassen konnten. Aber wie würden sie das anstellen?  
    Während sie ihre Sachen wieder in den Koffer packte, sagte sie nachdenklich: »Sie haben gesagt, in den Zügen sei man nicht sicher. Aber wenn wir über die Grenze fahren, wird doch bestimmt das Auto kontrolliert. Und dann werden Sie vielleicht erkannt.«  
    Er lachte sie an. »Wir fahren nicht dem Auto.«  
    »Sondern?«  
    »Wir nehmen ein Boot«, sagte er.  
    Jack Ransome hatte einen Freund, der an der ligurischen Küste lebte, nicht weit von Rapallo. Und dieser Freund, meinte er, würde bestimmt jemanden auftreiben, der sie auf dem Seeweg nach Frankreich bringen konnte. In der Ecke da oben schmuggelten die Fischer dauernd irgendetwas von einem Land ins andere, warum nicht zur Abwechslung mal zwei verirrte Engländer an einem verlassenen Strand an der Côte d’Azur absetzen?  
    Sie hätten keine zweihundert Kilometer mehr vor sich. Er wisse ungefähr, wie sie fahren müssten, er kenne sich an der italienischen Nordwestküste ganz gut aus. Sie würden sich zuerst westlich halten, Richtung Pistoia und Montecatini Terme, und dann die Küstenstraße nach Rapallo nehmen – obwohl es vielleicht gescheiter wäre, fügte er im Nachsatz hinzu, La Spezia mit seinem wichtigen Marinestützpunkt abseits liegen zu lassen. Sie würden locker geschätzt ein, zwei Tage brauchen, und wenn sie Glück hatten, würden sie irgendwo ein annehmbares Nachtquartier finden.  
    Die Straße führte sie durch die Vorberge der Apenninen. In der Ferne konnte Freddie Gipfel erkennen, die selbst jetzt, Ende Mai, schneebedeckt waren. Einmal hielten sie an, um einen Jungen mit einer Gänseschar nach dem Weg zu fragen, dann noch einmal, als sie eine schwarz gekleidete Frau mit einem Bündel Reisig am Straßenrand sahen. Freddie fand allmählich ihren Fahrrhythmus, schaltete routiniert und ohne Schnitzer, während der Wagen Kilometer um Kilometer fraß. Es werde schon alles gut gehen, sagte sie sich. Sie würde bis Rapallo fahren, und wenn Jack von dort aus zu Schiff weiter wollte, wäre das seine Sache, sie würde ihm auf keinen Fall folgen. Sie hatte nicht das geringste Verlangen, auf einem kleinen Boot im Ligurischen Meer Leib und Leben zu riskieren; sie würde mit dem Zug nach Hause fahren.  
    In Prato kauften sie Brot, Käse und mehrere Flaschen Wasser und Wein. Sie aßen auf einer Wiese außerhalb des Orts – genauer gesagt, Freddie aß und Jack Ransome trank etwas von dem Wein. Dann fuhren sie weiter, umrundeten Pistoia auf kleinen Nebenstraßen. Die Sonne stand hoch, und nach einer Weile schlief Jack ein, den Kopf an die Seitenwand des Wagens gelehnt. Sein Gesicht wirkte grau. Freddie dachte an die klaffende Wunde, an seine Weigerung, etwas zu essen, wie schnell er den Wein hinuntergekippt hatte.  
    Gegen Mitte des Nachmittags folgte Freddie den Schildern nach Montecatini Terme bis zum Stadtrand. Jack schlief weiter, während sie tankte und sich nach der nächsten Apotheke erkundigte. Bevor sie das Geschäft auf der anderen Seite des Platzes betrat, schlug sie in ihrem Taschenlexikon die Wörter ›Mullbinde‹ und ›Verband‹ nach. Aber ihre Aussprache ließ offenbar zu wünschen übrig, denn der Apotheker, ein untersetzter Mann mit saurem Gesicht, zog die Mundwinkel herab und zuckte verständnislos mit den Schultern. Nachdem sie die Wörter ein paar Mal wiederholt und mit den Händen das Wickeln eines Verbands angedeutet hatte,

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