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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Polizei alle Küstenstraßen. Vielleicht durchkämmten sie schon diese Berge. Vielleicht hatten sie Hunde – sie glaubte, etwas zu hören, ein Heulen, einen lauten Ruf, aber als sie zurückblickte, waren da nur der Regen und die Berge.  
    Es schüttete immer weiter aus dem schwarzgrauen Himmel. Während die Stunden vergingen, tat Freddie das, was sie, wie ihr schien, nun schon seit Ewigkeiten tat: Sie setzte einen Fuß vor den anderen, den Blick unverwandt auf Jacks lange Gestalt gerichtet. Sie sollte ihm den Koffer abnehmen, dachte sie matt, er hatte Mühe genug mit seinem Bein, aber sie konnte sich nicht vorstellen, woher sie die Kraft nehmen sollte, auch noch den Koffer zu schleppen. Vielleicht sollte sie ihn auffordern, den Koffer einfach wegzuwerfen – ihre Sachen waren wahrscheinlich ohnehin ruiniert –, aber sie war selbst zum Sprechen zu müde. Ab und zu drehte er sich zu ihr um, lächelte aufmunternd und fragte, ob alles in Ordnung sei. Sie nickte jedes Mal. Sie sah auf ihre Uhr, stolperte dabei, stellte fest, dass es fast acht war. Sie waren seit Stunden unterwegs, und das Licht begann zu verblassen. In der zunehmenden Dunkelheit auf den Beinen zu bleiben, forderte ihre ganze Konzentration und Nervenkraft.  
    Sie kamen zu einem Bach. Jack watete durch das Wasser. »Es ist nicht tief«, rief er ihr zu. »Schaffen Sie das?«  
    Freddie trat in den Bach. Seichtes Wasser sprudelte über glatt geschliffene Steine und feinen Kies. Als sie sich noch einmal umschaute, sah sie auf halber Höhe des Hügelhangs Licht aufblitzen – vielleicht die Scheinwerfer eines Auto, vielleicht der Strahl einer Taschenlampe. Ihr Herz raste. Wie gejagt rannte sie durch das Wasser.  
    Auf einem glitschigen Stein rutschte sie aus, fiel im eisigen Wasser auf die Knie und schrie auf.  
    »Miss Nicolson.« Jack watete wieder in den Bach hinein und bot ihr die Hand.  
    »Gehen Sie weg!«, schrie sie. »Lassen Sie mich.«  
    Mit ausgebreiteten Armen, um das Gleichgewicht zu halten, kniete sie im Wasser, ohne sich zu rühren. Sie spürte, wie er die Hände unter ihre Arme schob und schrie wieder: »Fassen Sie mich nicht an.« Ohne darauf zu achten, zog er sie hoch und schleppte sie ans Ufer.  
    Dort fiel sie gekrümmt zu Boden, die Hände vor dem Gesicht, und weinte. Sie fühlte seine Hand an ihrer Schulter und hörte ihn ruhig sagen: »Ich kenne mich hier aus. Ich war hier schon einmal. Gleich hinter dem Feld ist eine Schäferhütte. Wenn wir es dorthin schaffen, können wir uns ein bisschen aufwärmen. Es ist nicht weit. Können Sie laufen?«  
    Sie glaubte nicht, dass sie je wieder auch nur einen einzigen Schritt gehen könnte, wäre am liebsten einfach liegen geblieben und gestorben, aber sie verbiss sich die Tränen, schniefte und nickte. Er half ihr auf und hielt sie fest bei der Hand, während sie über eine Sumpfwiese und dann über ein Feld stolperten. Er redete die ganze Zeit, erzählte von einem Sommer, in dem er hier auf einem Hof gearbeitet und die Berge erkundet hatte; sie hörte nicht genau zu, aber der Klang seiner Stimme tröstete sie und lenkte sie ein wenig von der Müdigkeit ab.  
    »Da ist es«, sagte er, und Freddie konnte in der hintersten Ecke des nächsten Feldes eine kleine Steinhütte erkennen.  
    Als sie die Hütte erreichten, stieß er die Tür auf, und sie traten ein. Die Schafe hatten ihren Geruch und an rostigen Nägeln in den Wänden und im Stroh, das auf dem Lehmboden verstreut lag, schmutzige Wollfetzen zurückgelassen.  
    Freddie ließ sich in einer Ecke auf den Boden fallen, die Arme fest um die angezogenen Beine geschlungen. Sie schlotterte so stark, dass ihr Kinn immer wieder auf ihre Knie schlug. Jack machte Feuer – erst schichtete er ein paar Scheite aus dem Holzstoß an der Wand zur Pyramide auf, dann deckte er Reisig darüber und stopfte zum Schluss Schafwolle in die Ritzen, die dort hing wie Distelflaum. Sie hörte, wie er sein Feuerzeug anknipste, dann sprang eine Flamme auf.  
    »Der reinste Richard Hannay«, sagte sie. »Es fehlen nur noch die 39 Stufen.« Ihre Stimme zitterte.  
    »Finden Sie?« Er lachte. »Kommen Sie näher – gleich wird es richtig brennen.«  
    Sie schüttelte den Kopf, keiner Bewegung fähig, gänzlich erschöpft.  
    Er legte mehr Reisig aufs Feuer, dann drehte er sich zu ihr um. »Wir sind fast da.«  
    »Fast wo?«, fragte sie, erneut dem Weinen nahe. »Irgendwo, wo ich nie hinwollte? Ich möchte heim – das ist alles Ihre Schuld – es

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