Der italienische Geliebte (German Edition)
Ich habe ihn nicht mehr gesehen. Kein Brief, kein Anruf.«
»Aber zu Hause –«
»Da ist er nicht. Das Haus ist abgesperrt, die Vorhänge sind zugezogen.« Lewis füllte sein Glas auf und legte sich auf das Sofa, den Kopf auf einem Kissen, das Glas auf seiner Brust. Er schloss die Augen. »Jerry ist abgehauen«, sagte er stockend. »Entweder das oder er hat sich umgebracht und liegt mausetot in seinem Haus.«
»Mach nicht solche Scherze«, sagte sie scharf.
»Das sind keine Scherze. Ich habe mir schon überlegt, ob ich bei ihm einbrechen soll.« Er öffnete die Augen und schaute auf seine Uhr. »Vielleicht erledige ich das gleich heute Abend noch.«
»Lewis!«
»Auch wenn er noch quicklebendig ist – ich brauche die Geschäftsbücher für die Werft. Im Büro sind praktisch keine Unterlagen. Jerry muss alles mit nach Hause genommen haben.«
»Seit drei Wochen«, flüsterte sie tonlos. »Warum hast du nie etwas zu mir gesagt?«
»Ich wollte dich nicht beunruhigen. Ich weiß, finanzielle Schwierigkeiten belasten dich.«
Das stimmte. Weil sie gelernt hatte, vorsichtig mit Geld umzugehen, fürchtete sie nichts mehr als Schulden. Sie schämte sich plötzlich. War sie so starr in ihren Ansichten, war ihre Angst vor Armut so groß und ihr Mitgefühl für seine Schwierigkeiten so gering, dass er nicht gewagt hatte, sich ihr anzuvertrauen? Oder lag es an seinem Stolz?
»Du hättest es mir sagen sollen«, beharrte sie.
Er zuckte die Achseln. »Ich habe gehofft, irgendetwas würde auftauchen. Deswegen auch der heutige Abend. Tim Renwick redet seit Monaten davon, dass er sich eine Jacht kaufen will. Und gerade vorhin hat mir dieser verdammte Knicker eröffnet, dass er es sich anders überlegt hat.«
Sie setzte sich auf die Sofakante und sah zu ihm hinunter. Seine Mundwinkel waren herabgezogen, die hellbraunen Augen blickten düster. »Lass mich doch etwas tun, Lewis«, sagte sie. »Lass mich dir helfen.«
Er ergriff ihre Hand und drückte einen Kuss auf die Innenfläche. »Lächle einfach. Das ist das Beste, Schatz.«
»Ich meinte, ich könnte mir doch eine Arbeit suchen.«
Zornig ließ er ihre Hand fallen. »Geht das jetzt wieder los?«
»Wir müssen praktisch denken. Halbtags, wenn du willst.«
»Nein, Freddie.«
»Lewis, ich möchte arbeiten. Es macht mir Spaß .«
»Und was würdest du arbeiten?«
»Irgendetwas, ganz gleich. In einem Laden oder Büro. Ich würde auch putzen gehen.«
» Putzen ?« Er kniff die Augen zusammen. »Meine Frau, die Putzfrau. Was glaubst du wohl, was die Leute sagen würden?«
»Das ist mir gleich. Wir können nicht wählerisch sein, wir brauchen das Geld, das hast du eben selbst gesagt.«
Er stand plötzlich auf und stieß sie dabei beinahe um. »Wir leben in einer Kleinstadt«, sagte er kalt. »Kein Mensch würde uns je wieder einladen, wenn sich herumspricht, dass ich meine Frau zum Putzen schicke.«
»Dann lass mich dir in der Werft helfen. Wenn Jerry nicht mehr kommt, brauchst du jemanden für die Buchhaltung und den Schreibkram. Ich habe früher schon solche Arbeit gemacht, ich kann das. Und du hättest mehr Zeit, dich um neue Aufträge zu kümmern.«
»Nein.« Lewis kippte den Rest seines Whiskys hinunter. Dann sagte er leise und wütend: »Du hast es immer noch nicht begriffen. Ich habe dich nicht geheiratet, damit du für mich oder irgendjemanden sonst das Dienstmädchen spielst. Hier ist meine Zuflucht.« Er schlug mit der Faust in seine Handfläche. » Hier ist mein Heim, wo ich den ganzen Dreck in meinem Leben hinter mir lasse. In diesem Haus, bei dir.«
Jetzt hatte sie Angst. »Aber du bist doch nie hier, Lewis«, entgegnete sie leise. »Du bist immer weg und arbeitest. Und wenn du mal hier bist, wechselst du kaum ein Wort mit mir.«
»Das ist Blödsinn, und das weißt du auch.«
»Ich meine, wir reden nie mehr richtig miteinander. Du sagst mir nichts von Jerry – dass du mir so etwas verschweigst! Das war nicht recht von dir.«
»Ich habe dir gesagt, ich wollte dich nicht beunruhigen.« Er stellte das leere Glas auf den Tisch. »Ich kriege das schon wieder hin. Aber auf meine Weise und allein.«
Er ging in den Flur und zog seinen Mantel an. Sie folgte ihm. »Wohin willst du?«
»Zu Jerry. Nachschauen, ob der Idiot irgendeinen Hinweis darauf hinterlassen hat, wohin er verschwunden ist.«
Lewis eilte zur Tür hinaus. Es regnete jetzt stark, dicke
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