Der italienische Geliebte (German Edition)
sich je nach Sonne oder Wind veränderte, bald wie blaue Seide schimmerte, bald bleigrau unter schaumgekrönten Wellen wogte. Hier konnten sie sich niederlassen, dachte sie. Dies war ein neuer Anfang.
Es machte sie glücklich, dass Lewis vergnügt pfeifend von der Werft nach Hause kam und sie manchmal, sobald er die Haustür geschlossen hatte, in die Arme nahm und ins Schlafzimmer hinauftrug. Oft ging sie mittags zum Bootshaus hinüber. An schönen Tagen setzten sie und Lewis sich ins Freie und blickten aufs Wasser hinaus, während sie die belegten Brote aßen, die sie mitgebracht hatte. Wenn es regnete, blieben sie im Bootshaus, wo es nach Salz und Teer roch. Manchmal, wenn Jerry unterwegs war und Walter frei hatte, liebten sie sich im Halbdunkel des Bootshauses zum Plätschern des Wassers an die Helling. Der zornige Fremde war verschwunden. Freddie verliebte sich noch einmal ganz neu in ihren Mann.
Lewis bestand darauf, dass Freddie sich eine Hilfe für das Haus nahm, und Samstagabends gingen sie zum Essen aus oder wurden zu Partys eingeladen. Lewis mit seinem Charme und seiner Geselligkeit fand schnell Kontakt zu den Bankleuten, Rechtsanwälten und Geschäftsleuten des Orts. Seine Freunde kamen mit ihren Frauen zum Abendessen oder zu Cocktails in das kleine Haus mit dem roten Dach. Freddie fand wenig Gemeinsamkeiten mit den Ehefrauen. Sie bemühte sich, bewunderte ihre Kleider oder ihre Frisuren, fragte nach der Familie. Meistens sprachen die Frauen über ihre Kinder und ihre Gärten. Freddie hatte noch nie einen Garten gehabt und hätte nicht gewusst, was sie damit anfangen sollte. Der einzige Garten, den sie kannte, war der Park der Villa Millefiore in Fiesole, und sie bezweifelte, dass es ihr gelingen würde, ihn in seiner halb verwilderten Schönheit auf einem taschentuchgroßen Flecken Gras in Hampshire neu zu erschaffen.
Aber nach sechs Monaten oder so war es mit dem vergnügten Pfeifen bei der Heimkehr vorbei, und Lewis wollte auch nicht mehr, dass sie zur Mittagspause ins Bootshaus kam. Er blieb abends länger auf der Werft und arbeitete auch an den Wochenenden. Freddies Haushaltsgeld wurde gekürzt – Lewis bedauerte es, ein Auftrag, auf den Jerry sich verlassen hatte, war nicht zustande gekommen, aber bestimmt würde es bald wieder aufwärts gehen. Freddie sagte ihrer Haushaltshilfe, dass sie sie nicht mehr brauchte. Sie kamen irgendwie über die Runden, aber in Freddie wuchs das Gefühl, dass sie an einem Abgrund lebten, dass, was früher fest und sicher gewesen, unter ihnen ins Schwanken geraten war.
Als Meriel sich für die Trauung fertig machte, blieb sie mit dem Daumennagel an ihrem Strumpf hängen. »Verflixt!«, schimpfte sie. »Mein einziges gutes Paar.«
»Nimm meinen«, sagte Rebecca.
»Nein, nein, ich kann meine Florstrümpfe anziehen.«
»Unsinn.« Rebecca streifte einen Strumpf ab und reichte ihn ihrer Schwester. »Nimm.«
Sie waren in Meriels Wohnung in der Westdown-Schule. Meriel trug ein kornblumenblaues Kostüm und eine weiße Bluse, dazu einen Hut. Nachdem sie den Strumpf gewechselt hatte, musterte sie sich im Spiegel und zupfte an ihrem Rocksaum.
»Findest du –«
Rebecca klappte ihre Puderdose auf und puderte sich die Nase. »Was?«
»Findest du es nicht lächerlich von mir, mit einundfünfzig noch zu heiraten?«
»Ich finde es überhaupt nicht lächerlich. Ich finde es wunderbar.« Rebecca umarmte Meriel. »Du siehst so hübsch aus.«
»Unsinn.« Meriels Stirnrunzeln vertiefte sich. »Und du findest nicht, dass ich David gegenüber treulos bin?« David Rutherford war der Verlobte, der an der Somme gefallen war.
»Ich bin überzeugt, David hätte gewollt, dass du glücklich wirst.«
Meriel kaute auf der Unterlippe. »Ich wollte, Mama könnte jetzt hier sein.«
Rebecca klappte die Puderdose wieder zu. »Ja. Obwohl sie sich bei meiner Hochzeit schrecklich benommen hat. Weißt du noch?«
»Ja, was sie über das Essen gesagt hat. Und wie unfreundlich sie zu Milo war. Und dir ist das alles nicht zu viel? Dieses ganze Theater. Du hast so viel Arbeit damit gehabt.«
Rebecca hatte den Empfang vorbereitet, der in Dr. Hughes’ Haus stattfinden würde, hatte für die Lieferung der Speisen und für Personal gesorgt und die Hochzeitstorte gebacken. Aber sie spürte, dass Meriel von etwas anderem sprach. In Wirklichkeit wollte Meriel sagen, kränkt es dich, dass ich heirate, nachdem deine Ehe mit Milo in einer Scheidung
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