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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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geendet hat? Kränkt dich diese krasse Umkehrung der Schicksale?  
    »Aber nein«, sagte sie entschieden. »Es hat mir großen Spaß gemacht.«  
    Unten hupte jemand, und Rebecca ging ans Fenster. »Das Taxi.« Sie wandte sich Meriel zu. »Bist du so weit?«  
    Im Wagen neben ihrer Schwester, sah Rebecca auf ihre Hände. Sie waren, wie immer, voller Schwielen und kleiner Schnittwunden. Sie hätte sich die Zeit für eine Maniküre nehmen sollen, dachte. Sie lechzte nach einer Zigarette und kam sich merkwürdig vor in Rock und Jacke statt Cordhose und Baumwollbluse. Sie hatte das kirschrote Kostüm angezogen, das sie vor dem Krieg bei Selfridges gekauft hatte. Sie hatte abgenommen seit jener Zeit und Rock und Jacke enger machen müssen. Der Wollstoff war eigentlich zu dick für einen warmen Augusttag, und sie spürte auch schon die Hitzewelle, die ihr inzwischen gut bekannt war, in sich aufsteigen. Ihre Oberlippe war schweißfeucht. Am liebsten hätte sie sich die steifen, unbequemen Kleider vom Leib gerissen.  
    Sie legte Meriels Strauß auf den Sitz neben sich. »Stört es dich, wenn ich das Fenster aufmache?«  
    Meriel sah aus, als wäre ihr ebenfalls heiß. »Nein, im Gegenteil, mach nur. Ich komme mir vor wie Kochpudding.«  
    Rebecca kurbelte das Fenster herunter, hielt den Kopf ins Freie, und die Hitzewelle legte sich. Sie glaubte, Meriels Bedenken wegen einer Heirat mit fünfzig zu verstehen. Sie entsprangen, vermutete sie, einer Unsicherheit, wie eine Frau an diesem Punkt ihres Leben eigentlich sein sollte. Ihr selbst, neunundvierzig, geschieden und in den Wechseljahren, erschien der Grat zwischen der Versuchung, sich einfach gehen zu lassen, und dem lächerlichen Wunsch, mit aller Macht an der Jugend festzuhalten, manchmal sehr schmal. Modezeitschriften und die schicken kleinen Fähnchen in den Geschäften stießen die Frauen immerzu mit der Nase auf die selbstverständliche Schönheit der Jugend und den zu erwartenden Abstieg in beigefarbene Gediegenheit, wenn sie die vierzig und fünfzig erreichten. Man war dann angeblich nicht mehr begehrenswert und sollte selbst über jedes Begehren hinaus sein. Der Gedanke deprimierte sie, obwohl sie schon vor geraumer Zeit akzeptiert hatte, dass sie wahrscheinlich den Rest ihres Lebens allein bleiben würde. Connor war noch immer in Irland; die Gefühle, die sie ihm entgegengebracht hatte, kamen ihr jetzt ziemlich albern vor, Phantasien einer einsamen Frau, die zu viel in etwas hineingelegt hatte, das bei objektivem Hinsehen doch recht wenig gewesen war.  
    Sie hatten keinen Wermut mehr, und Lewis hatte gesagt, sie müssten auf jeden Fall welchen dahaben. Freddie bildete sich ein, vor ein paar Tagen noch eine halb volle Flasche gesehen zu haben, aber offenbar hatte sie sich getäuscht.  
    Sie öffnete ihre Geldbörse. Ein Schilling und eine Drei-Penny-Münze. Eine Flasche Wermut kostete ungefähr sieben Schillinge. Sie sah in ihrer Handtasche nach, fuhr mit der Hand über das Futter am Boden und fand einen Penny und einen halben. Dann suchte sie in den Taschen ihres Regenmantels und in der Schale auf dem Flurtisch, in die Lewis manchmal sein restliches Kleingeld warf. Nichts.  
    Sie zog die Küchenschublade auf, in der sie das Geld für den Milchmann und den Bäcker aufbewahrte. Selbst mit den vier Sechs-Pence-Stücken dort fehlten ihr immer noch drei Schillinge. Die Canapés standen auf dem Tisch, die Gläser – gespült, getrocknet und poliert – auf dem Abtropfbrett. Freddie kaute an einem Fingernagel und überlegte. Dann ging sie ins Wohnzimmer zurück und fuhr mit der Hand in die Ritzen des Sofas, kramte aber nur ein Bonbonpapier und einen Bleistift heraus. Herumliegendes Kleingeld gab es nicht mehr, jeder Penny zählte.  
    Sie konnte zur Werft gehen und Lewis fragen, ob er Geld hatte. Aber das widerstrebte ihr. Er mochte es schon lange nicht mehr, wenn er bei der Arbeit gestört wurde. Und vielleicht würde er es, wenn Jerry und Walter da waren, als beschämend empfinden, vor den beiden um Geld gebeten zu werden. Außerdem hatte er vielleicht auch nichts. Sie überlegte, ob sie den Wermut einfach weglassen sollte. Aber eine Cocktailparty ohne Wermut, der für so viele Mixgetränke gebraucht wurde?  
    Sie ging nach oben, setzte sich aufs Bett und ließ die Münzen auf die Steppdecke fallen. Einen Moment starrte sie die gerahmte Fotografie auf dem Toilettentisch an, ihr Hochzeitsfoto, Lewis in seiner Marineuniform, sie in dem veilchenblauen Mantel.

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