Der italienische Geliebte (German Edition)
oder enttäuscht sein konnte. Trotzdem bemühte man sich weiter, weil ja immer die Hoffnung bestand, dass es diesmal anders sein würde. Aber es war alles unglaublich anstrengend.
Sie waren zum Bach am unteren Ende des Gartens spaziert. Rebecca blickte zurück zum Fenster von Milos Arbeitszimmer. Er war am Telefon – sie war fast sicher – sie kniff die Augen zusammen –, dass er telefonierte. Wen rief er an?
»Monica hat mich für die Zwischenferien nach Cleethorpes eingeladen«, erzählte Meriel. »Ich wollte eigentlich nicht fahren, weil die Bahnfahrt ziemlich teuer ist, aber ich könnte doch ein paar Tage Tapetenwechsel gebrauchen. Und die Seeluft ist ja immer so belebend, nicht?, und…«
Rebecca sah, dass Milo aufgelegt hatte. Er hatte es nach dem Mittagessen ziemlich eilig gehabt, in sein Arbeitszimmer zu kommen. Weil er telefonieren wollte? Sie musste an diesen seltsamen kurzen Austausch beim Mittagessen denken. Was hatte Meriel gesagt, um Milo aus seiner Teilnahmslosigkeit zu reißen? Sie hatte über Lacrosse gesprochen, über ein Mädchen in ihrem Haus namens Freddie Nicolson. Milo war verwirrt gewesen, weil er geglaubt hatte, sie rede von einem Jungen. Und das war alles. Nichts Beunruhigendes. Milo hatte nur etwas durcheinandergebracht.
Aber sie war beunruhigt. Und blieb es, während Meriel endlos von Cleethorpes und Monicas Bungalow schwärmte. Unmöglich, dass Milo sich in dieses Mädchen, Freddie Nicolson, vergafft hatte. Sie war ein Schulmädchen, solche Neigungen hatte Milo nie gehabt. Außerdem hatte Milo geglaubt, sie wäre ein Junge, er konnte ihr also gar nicht begegnet sein. Es sei denn, schoss es ihr durch den Kopf, es war nur eine List von ihm gewesen…
Rebecca hatte Milo im Blick gehabt, als Meriel diese Freddie Nicolson erwähnt hatte. Und er hatte eigentlich gar nicht verwirrt ausgesehen. Milo hatte erschrocken ausgesehen, erinnerte sich Rebecca jetzt. Milo war alarmiert gewesen.
Der Klub 400 lag am Leicester Square neben dem Alhambra-Theater. Milo ging in das Kellerlokal hinunter und gab Mantel und Hut an der Garderobe ab.
Einer seiner Freunde hatte einmal gescherzt, ein Besuch im 400 sei wie eine Rückkehr in den Mutterschoß. Der Freund war Psychotherapeut, Freudianer, aber Milo verstand, was er gemeint hatte. Die Wände des Lokals waren mit dunkelroter Seide ausgeschlagen, der Teppich war dunkelrot und die Vorhänge ebenso. Licht spendeten nur die Kerzen auf den Tischen und die kleinen Lämpchen, die die Swing Band brauchte, um ihre Noten zu lesen.
Auch Tessa Nicolson war in Rot. Milo blieb am Rand des Raums stehen und sah ihr beim Tanzen zu. Ihr Abendkleid schimmerte in einem tiefen violettstichigen Karmin – wie ein edler roter Bordeaux, dachte er –, und dazu trug sie ein Collier aus großen, dunkelroten Steinen. Ihr Partner war ein großer, robust wirkender Mann mit rotblondem Haar. Als der Foxtrott endete und dünner Applaus folgte, küsste der Mann Tessa. Er küsste sie, bis sie sich ihm entzog.
Milo schlängelte sich zwischen den Tischen hindurch. »Herzlichen Glückwunsch, Tessa«, sagte er. »Alles Gute zum Geburtstag.« Er neigte den Kopf und küsste ihr die Hand.
»So altmodisch, Milo.« Sie lächelte ihn an. »Ich freue mich so, Sie zu sehen. Tanzen Sie mit mir?«
Die Band stimmte ›Night and Day‹ an. Paare drängten auf die Tanzfläche.
»Sind diese Leute alle Ihre Freunde, Tessa?«, fragte er.
»Ja, die meisten.«
»Und genießen Sie Ihr Fest?«
Sie krauste die Nase. »Nicht sonderlich. Paddy hat üble Laune.«
»Paddy?«
»Paddy Collison.« Ihr Blick flog kurz zu dem Tisch, an dem der rotblonde Mann saß und rauchte. »Paddy ist bei Lipton«, erklärte sie. »Sie haben ihm gerade mitgeteilt, dass er in London bleiben muss und nicht nach Kenia zurückversetzt wird. Jetzt ist er wütend. Wir waren vorher bei Freunden beim Essen, da war er richtig grob zu allen.« Tessas Augen, die grün und lichtbraun gesprenkelt waren, blitzten amüsiert. »Die meisten Gäste waren Intellektuelle, lauter Cambridge-Leute. Einer hatte lange Haare und trug eine gepunktete Fliege. Paddy fand sie alle grässlich. Er bildet sich ziemlich was ein auf seine eisenharte Männlichkeit.«
Milo fragte sich, ob Paddy Collison Tessas Liebhaber war. Beim Tanzen konnte er durch die dünne Seide ihres Kleides die Bewegung ihrer Muskeln spüren.
»Ich habe den Verdacht, dass wir eine gemeinsame Bekannte haben«, sagte
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