Der italienische Geliebte (German Edition)
sollen«, murmelte er. »Irgendwie habe ich den Dreh nicht gefunden.«
»Als wir uns das erste Mal trafen, da unten am Weiher, haben wir, glaube ich, von Hunden gesprochen.«
»Nicht nur von Hunden.«
»Nein?« Ihre Augen blitzten. »Ich erinnere mich. Du sagtest, du hättest mich für einen Geist gehalten.«
»Als du mir deinen Namen nanntest –«
»Was?«
»Ich erwartete etwas Exotisches wie Natascha oder Anastasia.«
»Warst du enttäuscht?«
»Aber nein. Wie hätte ich enttäuscht sein können.« Er sehnte sich danach, sie wieder in die Arme zu nehmen, selbst hier, unter den Blicken der beiden Homos, die sich auf einer Bank aneinanderschmiegten, und der alten Nutte mit den rougeroten Wangen und den mit Khol umrandeten Augen.
Er sah sie ernst an. »Es war nicht meine Absicht, dich zu täuschen.«
»Das habe ich auch nicht geglaubt, Darling. Aber ich habe mir eines deiner Bücher gekauft.«
»Welches?«, fragte er unwillkürlich.
» Ferne, dunkle Hügel. Weil es in der Toskana spielt. Ich bin dort aufgewachsen.«
»Tatsächlich? Wie wunderbar. Wir waren einen Sommer lang dort. Ich hätte für immer dortbleiben können, so schön fand ich es. Aber Rebecca, meine Frau, wollte nach Hause.«
»Auf dem Schutzumschlag stand, dass du verheiratet bist. Aber das hatte ich mir sowieso schon gedacht.«
»Warum?«
»Du siehst verheiratet aus, Milo.«
Er lachte schallend. Die Homos und die Nutte starrten ihn an.
»Wie meinst du das?«
»Du siehst gepflegt aus. Unverheiratete Männer haben ausgefranste Ärmel und schmuddelige Krägen.«
»Ist das so?«
»Die reichen vielleicht nicht, die haben ja Diener.«
»Ich habe leider keinen Diener.« Er war froh, dass sie sich von einem brenzligen Thema wegbewegten.
»Mir hat dein Buch so gut gefallen. Es hat einen ganz besonderen Zauber.«
»Das freut mich. Bist du in Italien geboren, Tessa?«
»In der Nähe von Siena, ja. Wir sind viel herumgezogen. Mein Vater hoffte immer auf den großen Durchbruch. Er war Künstler, ziemlich erfolglos. Hat gemalt, und wirklich nicht schlecht, aber er hat zu viel getrunken und war ein sehr unbeherrschter Mensch. Ich nehme an, er hat sich mit zu vielen Galeristen und Mäzenen angelegt. Eine Zeit lang wohnten wir in Südfrankreich, in den Bergen. Immer wenn ich Lavendel rieche, muss ich an das Haus denken. Einmal kamen wir nach England, als mein Vater auf eine Erbschaft hoffte. Ich erinnere mich, dass es sehr kalt war und die ganze Zeit regnete. Unser Cottage stand an einem Fluss. Freddie und ich haben oft dort gespielt – Freddie fiel immer ins Wasser und ich habe sie dauernd wieder herausgezogen.«
Während sie sprach, verliebte er sich in sie. Er sah die Lebendigkeit ihrer Züge, die Art, wie sie bisweilen achtlos das glänzende honigblonde Haar zurückstrich, und war gefesselt. Manchmal berührten sie einander, wenn er seine Teetasse hob oder sie ihr Feuerzeug aus dem goldenen Täschchen nahm. Er hatte auf einer Reise in Sizilien einmal ein leichtes Erdbeben erlebt. Er erinnerte sich noch an das Gefühl. Jetzt, mit Tessa, war es genauso: Er war aus dem Gleichgewicht geworfen, und es war kein Verlass mehr auf den normalen Lauf der Dinge.
»Und dann?«, fragte er.
»Als mein Vater starb, sind wir nach Florenz zurückgegangen, und als ich siebzehn wurde, schickte meine Mutter Freddie und mich nach England aufs Internat.«
»Hat es dir gefallen? Warst du glücklich dort?«
»Anfangs nicht.« Sie senkte den Blick und rührte in ihrem Tee. »In Italien gab es jemanden, den ich sehr gern hatte, und er fehlte mir.«
G ern hatte ?, dachte sie. Sie hatte Guido Zanetti geliebt und lange gebraucht, um ihn zu vergessen.
Sie fragte ihn nach seiner Familie. »Mein Vater ist sechs Monate nach seiner Pensionierung gestorben«, erzählte Milo. »Ich habe immer gedacht, was für ein schrecklich ödes Leben das gewesen sein muss. Er war bei der Gemeinde angestellt. Todlangweilige Arbeit, nichts als Formulare ausfüllen. Wir fuhren jeden Sommer in denselben Ort am Meer und wohnten in derselben Pension. Mein Vater kaufte sich jedes zweite Jahr einen neuen Hut und alle fünf Jahre einen Mantel. Ein Auto konnte er sich von seinem Gehalt nicht leisten. Wenn ich an ihn denke, sehe ich ihn immer mit Hosenklammern auf seinem Fahrrad. Deprimierend.«
»Armer Milo.«
»Nein, armer Dad. Ich bin ja entkommen. Ich war in Oxford, als er starb.
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