Der italienische Geliebte (German Edition)
runtergehauen.«
»Ach, hätten Sie’s doch getan, Milo. Das hätte ein bisschen Leben in die Bude gebracht.« Tessa hakte sich bei ihm ein, als sie in die kühle Nachtluft hinaustraten. »Aber vielleicht ist es gut, dass Sie es nicht getan haben. Ich fürchte, Sie hätten den Kürzeren gezogen. Paddy war mal Boxchampion«
Es regnete leicht; er hielt seinen Schirm über sie. »Wohin möchten Sie gehen?«, fragte er.
»Ach, ganz gleich. Ich liebe London bei Nacht, Sie nicht auch?«
Sie gingen die Charing Cross Road hinunter. Am Bordstein hielt ein Taxi, ein Mann im Abendanzug und eine junge Frau in einer Wolke blassgrünen Tülls stiegen ein. Eine Frau schlief in Schichten ausgefranster Wollsachen und einen abgerissenen Regenmantel eingewickelt in einer Türnische. Milo legte eine Münze in die angeschlagene Teetasse neben ihr.
An der Shaftesbury Avenue sagte er: »Ich bin eigentlich gern in Soho, aber vielleicht möchten Sie anderswohin. Wir könnten ein Taxi zum Savoy nehmen.«
»Ich kaufe oft in Soho ein«, sagte Tessa. »Es gibt dort so köstliche italienische Spezialitäten.«
»Nachts ist es anders.«
»Ich liebe die Nacht.«
Sie bogen in die Romilly Street ein. Abseits der Lichter des Theaterviertels waren die Straßen dunkel und still, etwas Geheimnisvolles, beinahe Bedrohliches hing in der Luft. Obwohl Milo sich bei Tag in Soho auskannte, schien ihm das Gewirr enger Straßen jetzt in der Dunkelheit einer unbekannten Welt anzugehören. In einem kleinen Ladenfenster standen auf einem Bord aufgereiht verschiedenfarbige chinesische Ingwertöpfe mit Abbildungen feuerspeiender Drachen auf den runden Keramikbäuchen. Ein Paar verschwand eng umschlungen in einer schmalen Toreinfahrt, ein schriller Laut, es konnte ein Lachen oder ein Schrei sein, durchschnitt die Stille. Irgendwo in einem oberen Stockwerk quäkte ein Saxofon.
In der Greek Street kam ihnen eine Gruppe Matrosen entgegen, die in irgendeiner osteuropäischen Sprache – polnisch vielleicht – auf einander einbrüllten. Milo drängte Tessa in eine schützende Türnische, als die betrunkenen Männer grölend und lachend an ihnen vorübertorkelten. Ihr Duft mischte sich mit dem faden Geruch des Regens, und er war ihr nahe genug, um im trüben Schein der Straßenlampen das feinporige Gewebe ihrer Haut erkennen zu können.
Er neigte sich zu ihr und streifte mit seinen Lippen ihren Mund. Sie legte ihm die Arme um den Hals. Seine Hände ruhten auf ihren schmalen Hüften, als sie sich küssten, und er ihre kühle, weiche Haut unter seinen Lippen spürte.
Sie fröstelte. »Dir ist kalt«, sagte er. »Wir sollten weitergehen.«
Auch er spürte nach dem Kuss plötzlich die Kälte. Er legte den Arm um sie und zog sie an sich, als sie die leere Straße hinuntergingen. Im Regen sah der Asphalt wie glänzender Satin aus. Sie ließ sich von ihm halten, und der leichte Druck ihres Kopfs an seiner Schulter beglückte ihn so sehr, dass er ewig so hätte weitergehen können.
Sie traten in ein Nachtcafé am Soho Square. Drinnen schüttelte sich Tessa ein wenig, wie erschreckt vom helleren Licht. Nur wenige Leute saßen an den fünf oder sechs Tischen. Milo holte Tee an der Theke und setzte sich neben Tessa.
»Ich habe ein Geburtstagsgeschenk für dich«, sagte er.
»Milo! Wie spannend.« Sie lächelte strahlend.
Er zog einen braunen Umschlag aus seiner Manteltasche und überreichte ihn ihr. »Noch einmal alles Gute zum Geburtstag, Tessa.«
Sie öffnete den Umschlag und zog die zusammengefalteten weißen Bögen heraus. Laut las sie den Titel auf der obersten Seite.
» Mittwinterstimmen von Milo Rycroft. Das ist von dir, Milo? Ach, da freue ich mich aber.«
»Es ist das Manuskript meiner Gedichte. Vielleicht ist es furchtbar eingebildet von mir, sie dir aufzudrängen. Vielleicht magst du gar keine Gedichte.«
»Doch, doch.«
»Vielleicht werden dir meine auch gar nicht gefallen. Dann kannst du damit Feuer machen oder sie in den Papierkorb werfen.«
»Ich bin so gerührt.« Unter dem Tisch drückte sie seine Hand.
»Du bist die Erste, die sie zu lesen bekommt. Nicht einmal mein Lektor hat sie gesehen. Sie sind ein neues Projekt. Bisher habe ich nur Romane geschrieben.«
»Bin ich auch ein neues Projekt, Milo?«
»Wie meinst du das?«
Ihr Gesicht war ernst. »Du bist doch verheiratet.«
»Ja.« Scham und Verlegenheit; er senkte den Kopf »Ich hätte es dir sagen
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