Der italienische Geliebte (German Edition)
Abneigung nicht hinter dem Berg gehalten.
»Möchte jemand noch etwas trinken?«, fragte Milo.
»Ich trinke nie Wein zum Mittagessen«, sagte Mrs. Fainlight.
Milo füllte Rebeccas Glas auf. »Meriel?«
»Ja, bitte.«
»Ich muss immer an den jungen Tommy Mackintyre denken«, erklärte Mrs. Fainlight. »Er war ein gescheiter Junge und aus guter Familie. Aber er hat getrunken und damit sein ganzes Leben verpfuscht.«
»Ich glaube, keiner von uns hat vor, unter der Brücke bei den Wermutbrüdern zu landen, Mutter«, entgegnete Rebecca.
»Diese Ausdrücke, Rebecca, wirklich!« Mrs. Fainlight warf Milo einen schmalen Blick zu, als machte sie ihn verantwortlich.
»Aber schau mal, Mama«, bemerkte Meriel mit künstlicher Munterkeit, »was für ein herrlicher Tag dir zu deinem Geburtstag beschert worden ist.«
»Findest du?« Mrs. Fainlight wandte den Kopf zum Fenster. Draußen war es hell und sonnig, auf dem Rasen blühten die ersten Narzissen.
Meriel ließ nicht locker. »Endlich ist der Frühling da. Es geht einem doch gleich viel besser, wenn die Sonne scheint.«
»Wenn ein Enkel mit mir feiern könnte, würde mir der Tag vielleicht mehr bedeuten. Wie kann ich fröhlich sein, wenn ich weiß, dass unsere Familie ausstirbt ?«
Meriel zog ein Taschentuch aus ihrem Ärmel und schnäuzte sich geräuschvoll. Das Gespräch versiegte, und sie aßen schweigend weiter.
Meriel brach schließlich das Eis. »Joanna Moore hat eindeutig die Masern«, sagte sie. »Sie hatte heute Morgen Ausschlag und Fieber.«
»Ach, du lieber Gott«, meinte Rebecca. »Das muss ja lästig sein.«
»Ja, die verflixten Eltern rücken leider nicht immer mit der Wahrheit heraus. Sie unterschreiben das Formular und schicken es zurück, und es ist absoluter Blödsinn.«
»Was für ein Formular?«
»Das Quarantäneformular. Joanna hat mir erzählt, dass ihr Bruder über Ostern die Masern hatte. Ihre Eltern hätten sie gar nicht wieder in die Schule schicken dürfen. Na ja, Mrs. Moore ist nicht Joannas leibliche Mutter. Du weißt doch, ich hab dir erzählt, dass die erste Mrs. Moore mit einem Stehgeiger durchgebrannt ist.«
» Meriel «, sagte Mrs. Fainlight.
»Reg dich nicht auf, Mama, das weiß hier jeder. Es stand in allen Zeitungen.«
Meriel war eine entsetzliche Klatschbase. Rebecca überlegte sich immer genau, was sie ihrer Schwester von sich erzählte. Sie hatte ihr beispielsweise nie etwas von Milos Seitensprung mit Annette Lyle gesagt. Als dieser Gedanke ihr durch den Kopf ging, sah sie Milo an. Es war offenkundig, dass er es aufgegeben hatte, sich am Gespräch zu beteiligen. Er und ihre Mutter hatten nie etwas miteinander anfangen können, und Rebecca hätte seine Teilnahmslosigkeit schlichter Langeweile zugeschrieben, wäre nicht dieser Ausdruck träumerischer Abwesenheit gewesen, der ihr in den letzten Wochen mehr als einmal an ihm aufgefallen war. Er machte sie misstrauisch.
Meriel redete immer noch. »Anscheinend machen sie in Südfrankreich Urlaub.«
»Wer?«
»Die Moores natürlich.«
»Ach so«, sagte Rebecca.
»Es ist wirklich blöd, wo jetzt gerade die Lacrossewettkämpfe zwischen den Häusern anstehen.«
»Ach, Gott.«
»Anne ist dieses Jahr sehr schwach, aber bei Victoria gibt es ein paar starke Spielerinnen.« Die vier Wohnhäuser der Westdown-Schule waren nach englischen Königinnen benannt. »Ich werde wahrscheinlich Imogen Carstairs in die Mannschaft nehmen müssen, obwohl sie überhaupt nicht mithalten kann. Ein Glück, dass wir Freddie Nicolson haben, sie war im letzten Spiel großartig.«
Milo hob ruckartig den Kopf. »Nicolson?«
»Ja, Freddie Nicolson«, sagte Meriel und fügte ein wenig sarkastisch hinzu: »Ich wusste gar nicht, dass du dich für Lacrosse interessierst, Milo.«
»Aber ein Junge «, sagte Milo. »Ich wusste nicht, dass Jungen Lacrosse spielen.«
Meriel lachte. »Nein, nein. Das hast du falsch verstanden. Freddie ist ein Mädchen. Sie heißt eigentlich Frederica, aber wir nennen sie alle Freddie. Und Lacrosse wurde natürlich ursprünglich von Männern gespielt. Es wurde von den Indianern erfunden, hat sich allerdings seitdem sehr verändert…«
Meriel setzte ihren Vortrag über die Entwicklung von Lacrosse fort. Milo starrte sie immer noch an. Dann bemerkte er Rebeccas Blick, lächelte sie strahlend an und sagte: »Von Sport habe ich nie viel verstanden. Und das wird wahrscheinlich auch
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