Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
nie hinnehmen.  
    Ihre Affäre entwickelte sich nach einer Choreographie eigener Art. Treffen im Britischen Museum, diesem beliebten Treffpunkt heimlich Liebender, ihre Finger ineinander geschlungen, während sie im Schatten monumentaler steinerner Bildwerke und altägyptischer Sarkophage die Säle durchstreiften. Abendessen in unauffälligen Restaurants in unauffälligen Straßen, fern von den bevorzugten Aufenthaltsorten ihrer Freunde. Anrufe aus öffentlichen Telefonzellen oder aus seinem Büro in Oxford, Gespräche, die sich vom Nachmittag bis in den Abend dehnten, weil keiner von ihnen ein Ende finden konnte. Sie liebten sich auf einer Auenwiese in Oxfordshire, wo die Luft vom Duft der Maiblüte erfüllt war. Dieser sogenannte Zeitvertreib für die blaue Stunde, den sie nicht ausufern hatte lassen wollen, besetzte bald jede Stunde ihres Tages.  
    »Ich erinnere mich an stickige kleine Zimmer in stickigen kleinen italienischen Städten«, erzählte sie ihm eines Nachmittags, als sie in ihrer Wohnung zusammen im Bett lagen. »Abends fingen meine Eltern immer zu streiten an. Meine Mutter brachte Freddie und mich zu Bett, dann ging sie nach unten, um mit meinem Vater zu essen, und prompt ging es los. Zuerst war er immer sarkastisch. Manchmal konnte ich verstehen, was er sagte, manchmal merkte ich es nur an seinem Ton. Meine Mutter versuchte dann zunächst, ihn zu beschwichtigen. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, vermute ich, dass ihn das nur wütender machte. Er schrie herum und beschimpfte sie, und sie weinte. Manchmal warf er mit Gegenständen um sich, Gläsern, Tellern, was gerade zur Hand war. Ich weiß nicht, ob er sie geschlagen hat. Einmal bin ich hinuntergegangen, weil ich glaubte, er hätte ihr wehgetan, aber meine Mutter schrie mich sofort an, wieder nach oben in mein Bett zu gehen. Später hat es mir leid getan, dass ich ihr gehorcht habe.«  
    »Armes kleines Mädchen«, sagte er.  
    Sie schmiegte sich in seine Arme. »Meine Mutter war mit meinem Vater durchgebrannt, ihre Familie hat jeden Kontakt zu ihr abgebrochen. Sie hatte zwei kleine Kinder und kein eigenes Geld. Ich werde bestimmt nicht den gleichen Fehler begehen. Ich will niemals abhängig sein. Die einzige Ehe, die ich aus der Nähe erlebt habe, war ein Kriegsschauplatz. Mein Vater hat sich selbst zerstört und meine Mutter beinahe auch. Die Leute glauben immer, dass Kinder solche Dinge vergessen, aber das stimmt nicht.«  
    Man konnte so stark darauf fixiert sein, die Fehler anderer nicht zu wiederholen, dass man die Fallen nicht sah, die man sich selbst stellte. Sie hätte es beenden sollen. Sie hätte ihm einen Brief schreiben, anrufen, vor seinen Augen mit einem anderen Mann flirten sollen. Sie hätte dafür sorgen sollen, dass er sie hasste. Sie hätte ihm von Angesicht zu Angesicht sagen sollen, dass Schluss sein musste. Sie hätte das alles tun sollen, aber sie tat es nicht, weil sie ihn da schon liebte.  
    Dann war sie auf einmal immer so müde, obwohl sie Müdigkeit nie gekannt, die langen Nächte und das frühe Aufstehen höchstens als lästig empfunden hatte. Sie litt an Anfällen von Übelkeit, die sie einige Wochen lang dem hektischen Klima ihrer Arbeit und den unregelmäßigen, häufig in Hetze eingenommenen Mahlzeiten zuschrieb. Irgendein hartnäckiger Bazillus oder Erschöpfung nach den Frühjahrsmodenschauen.  
    Wie naiv. Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass sie schwanger sein könnte, auf einem Fest in einem Landhaus in Hertforshire. Sie saß in dem Schlafzimmer, das man für die Damen reserviert hatte, vor dem Spiegel und schminkte ihr Gesicht nach. Auf dem Bett lag eine junge Frau und redete mit ihrer Freundin. »Ich bin immer so unglaublich müde, und jeden Morgen muss ich mich übergeben. Wenn ich gewusst hätte, dass man sich so fürchterlich fühlt, wenn man ein Kind bekommt…« Tessa starrte ihr Spiegelbild an, als sich plötzlich alles zusammenfügte.  
    Stella Bishop, eine Freundin und Kollegin, schrieb ihr den Namen eines Dr. Pomeroy mit Adresse in der Harley Street auf einen Zettel. Er ist eklig , hatte Stella hinzugefügt, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen … Ein kurzes Schulterzucken.  
    Dr. Pomeroy trug einen schwarzen Gehrock. Die grau gestreifte Weste klaffte über seinem Bauch. Er sprach wie ein Aristokrat, aber nicht einmal die volle Oberlippe und das Neville-Chamberlain-Bärtchen konnten die angefaulten Zähne verbergen.  
    Mit kalten Gummihandschuhen untersuchte er Tessa und teilte

Weitere Kostenlose Bücher