Der italienische Geliebte (German Edition)
Mason’s.« Sie hielt ihm das Päckchen hin. »Tessa hat mich gebeten, Ihnen das zu geben.«
Mit misstrauischem Blick riss Julian das braune Papier auf und zog eine Perlenschnur heraus. »Herrgott noch mal«, sagte er ärgerlich. »Die will ich nicht haben. Hier, nehmen Sie sie wieder.«
Er schleuderte Freddie die Perlen entgegen.
Sie trat einen Schritt zurück. »Nein, Sie müssen sie nehmen, Mr. Lawrence. Tessa will es so.«
Wütend schmiss er die Perlen und das zerdrückte braune Papier in den Sommerflieder. Dann ließ er sich auf die Türschwelle hinunterfallen und hielt sich stöhnend mit beiden Händen den Kopf.
»Wie konnte sie mir das antun? Wissen Sie, wo sie steckt? Ich versuche seit Tagen, mit ihr zu reden.«
»Ich treffe sie jetzt gleich im Ritz.«
»Ist das Ihr Taxi?«
Freddie nickte. Julian Lawrence sprang auf. »Gut«, sagte er. »Ich komme mit. Gehen Sie nicht weg. Ich bin gleich wieder da.«
Er lief ins Haus und kam wenige Minuten später im Jackett und mit einer Krawatte in der Hand zurück.
»Die Perlen«, sagte sie, als er ihr voraus den Weg hinunterging.
»Zum Teufel mit den Perlen.« Er riss die Taxitür auf, und sie fuhren los. Die Perlen blieb im Sommerflieder hängend wie Regentropfen zurück.
Auf der Fahrt nach Mayfair sprach er nur von Tessa. Von ihrer ersten Begegnung und ihrer kurzen Liebesbeziehung, von Tessas Schönheit und ihrer Grausamkeit. Freddie wollte ihm erklären, dass es niemals Tessas Absicht war, grausam zu sein, dass sie der Welt immer nur die Seite von sich zeigte, die sie gerade zeigen wollte, ihr Innerstes jedoch vor den meisten Menschen verbarg – aber was hätte es genützt? Das war Tessas Angelegenheit und außerdem würde es, so wie sie ihn beurteilte, völlig sinnlos sein. Sie fragte ihn stattdessen nach seiner Familie und seiner Arbeit und erfuhr, dass er aus Kent kam, gegenwärtig als Privatsekretär bei einem Industriekapitän beschäftigt war und in seiner Freizeit Flugunterricht nahm.
»Fliegen ist einfach phantastisch«, erklärte er begeistert und fragte dann, was sie denn so mache. »Im Ernst?«, rief er ungläubig, als sie verlegen gestand, dass sie noch zur Schule ging. »Ich hätte Sie auf mindestens zwanzig geschätzt.« Was sie höchst befriedigend fand.
Im Ritz wurden Freddie und Julian zu Tessas Tisch geführt. Miss Nicolson sei noch nicht da, erklärte der Ober, aber ein paar von Tessas Freunden hatten sich schon eingefunden. Zwei Männer und eine Frau saßen am Tisch. Die Männer kannte Freddie, der eine war Raymond Leavington, groß und stattlich mit gebräuntem Gesicht und rotblondem Haar, das an den Schläfen zu ergrauen begann, der andere ein spanischer Lyriker namens Antonio, der bei Ausbruch des Bürgerkriegs aus seinem Heimatland geflohen war. Sie begrüßte sie.
»Hallo, Kleine. Endlich aus dem Gefängnis frei, hm?« Raymond stand auf und umarmte sie. »Du siehst sehr hübsch aus, Freddie.« Sein Schnurrbart kitzelte sie, als er sie küsste.
Raymond war Immobilienhändler, er hatte Tessa die Wohnung in Highbury besorgt. Er war eigentlich immer gut gelaunt, solange die Rede nicht auf seine Frauen kam. Er war zweimal geschieden, seine erste Verflossene hieß Harriet, die zweite Diana.
Er machte Freddie und Julian mit der jungen Frau am Tisch bekannt, einer Tänzerin namens Bee, zierlich und dunkel, mit einem Gesicht, dachte Freddie, das hätte hässlich sein können, wäre es nicht so lebendig und intelligent gewesen.
»Wo ist Tessa?«, wollte Julian sofort wissen.
»Sie sagte, sie würde sich vielleicht verspäten.« Raymond schob Freddie die dreistöckige Etagere mit belegten Brötchen hin. »Lang zu. Champagner?«
»Ja, bitte.« Sie wurde am 20. Juli siebzehn, in wenigen Tagen, und Tessa war nicht da, um Nein sagen zu können.
Freddie aß von den Brötchen, trank Champagner und unterhielt sich mit Raymond über seine Geschäfte, während Antonio mit Bee flirtete und Julian finster und ungeduldig den Hoteleingang fixierte. Raymond bestellte noch einmal Brötchen und Gebäck und zur Feier von Freddies erstem Ferientag eine zweite Flasche Champagner. Freddie genoss die Gesellschaft der Erwachsenen und stellte sich vor, sie wäre reich wie Tessa und könnte jeden Tag Champagner zum Tee trinken.
»Was macht die Schule?«, erkundigte sich Raymond.
»Alles wie immer. Ich glaube, das gefällt mir am besten an der Schule, dass es immer dasselbe ist.«
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