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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Rycroft? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das hier Ihr Genre ist.«  
    »Warum sagen Sie das? Sie wissen nichts von mir.«  
    »Nein, aber ich habe so etwas im Gespür. Ihre Stimme ist so schön und kultiviert. Singen Sie, Mrs. Rycroft?«  
    »Nur in der Kirche.«  
    »Sie gehen in die Kirche?«  
    »Manchmal. Nicht oft.«  
    Sein Lachen klang fast wie ein Zischen. »Das ist ja zu schön, um wahr zu sein. Und was sind Sie – römisch-katholisch, um das bürgerliche schlechte Gewissen zu beruhigen, oder anglikanisch, weil Ihnen die Texte und die Musik gefallen?«  
    »Anglikanisch«, antwortete sie ärgerlich. »Sie haben recht, ich mag die Texte und die Musik. Ist das so verwerflich?«  
    » Meiner Meinung nach sind alle Religionen nichts als Opium für die Massen, aber darüber können wir uns ein andermal streiten. Und für ein gutes Kirchenlied habe ich immer was übrig gehabt.« Er machte eine entschuldigende Handbewegung. »Ich schlafe in letzter Zeit nicht gut. Deswegen bin ich so schlecht gelaunt.«  
    Das konnte sie verstehen. »Ja, nach einer schlechten Nacht geht einem irgendwie alles auf die Nerven, nicht?«  
    »Ah, Sie kennen das.«  
    Er flirtete mit ihr – auf eine absonderliche, nicht gerade schmeichelhafte Art, aber es war trotzdem Flirten, und das hob ihre Stimmung.  
    »Was trinken Sie?«, fragte er.  
    »Bier.«  
    »Ich habe etwas Besseres.«  
    Er holte eine halbe Flasche Gin aus der Manteltasche und goss ihr einen Schuss davon in den Krug. »Mit Eis und Zitrone kann ich leider nicht dienen. Bin ich zu raubeinig?«  
    »Ich werde es verkraften, danke. Woher kennen Sie Toby?«  
    »Aha, direkt aus dem Ratgeber für erfolgreiche Gespräche bei Cocktailpartys. Aber eigentlich ist das Anknüpfungspunkt Nummer drei – haben wir Herkunft und berufliche Tätigkeit übersprungen?«  
    »Das lässt sich korrigieren. Sie kommen nicht aus London, oder?«  
    »Ich stamme aus Leeds. Und Sie?«  
    »Oxfordshire.«  
    »Sehr edel. Ich bin bei einem Ingenieurbüro beschäftigt. Sie nennen mich Abteilungsleiter, aber eigentlich bin ich nur ein besserer Vertreter. Es macht keinen Spaß, aber es zahlt die Miete. Toby habe ich in einem Pub kennengelernt. Ich saß am Klavier, und Toby bat um einen Song. Und Sie, Mrs. Rycroft?« Er imitierte eine gehobene Sprechweise. »Wie lange sind Sie schon mit unserem Gastgeber bekannt?«  
    »Seit der Kunstakademie. Achtzehn Jahre.«  
    Länger als ihre Ehe mit Milo gehalten hatte. Eine so lange Zeit, und doch schienen die Jahre auf einmal zu schrumpfen und sich in Luft aufzulösen, als wäre in dieser ganzen Zeit nichts von Bedeutung geschehen. Ihre gute Laune war dahin, sie hätte am liebsten geweint.  
    »Und Ihr Mann?«, fragte Harrison Grey. »Der glückliche Mr. Rycroft. Ist er auch hier?«  
    »Nein.«  
    »Nun, ich kann nicht behaupten, dass er mir fehlt.«  
    »Ich auch nicht.«  
    Er lächelte und stieß mit ihr an. »Dann prost.«  
    »Wie haben Sie mich eigentlich erkannt?«, fragte sie. »Woher wussten Sie, dass ich die Frau bin, mit der Sie am Telefon gesprochen hatten?«  
    »Das war nicht schwierig. Sie sehen nicht gerade aus wie eine Jüngerin der Boheme. »  
    Artemis Taylors Aufmachung, das war ihr schon aufgefallen, passte weit besser in diese Gesellschaft als ihr Tweedrock mit der grünen Seidenbluse und die hohen Absätze.  
    »Und ich habe Toby gefragt, ob Sie auch kommen«, fügte er hinzu. »Ich habe nach Ihnen Ausschau gehalten. Ich habe mir große Hoffnungen gemacht.«  
    »Dann tut es mir leid, wenn ich Sie enttäuscht habe.«  
    »Enttäuscht?«  
    »Meine kultivierte Stimme – meine Zugehörigkeit zur anglikanischen Kirche.«  
    »Nein, Sie sind überhaupt keine Enttäuschung.« Ein unmissverständliches Lächeln. »Im Gegenteil, Sie sind absolut perfekt.«  
    Irgendwann in der Nacht fing ein Streifen lila Krepppapier Feuer, es gab wildes Geschrei und Herumtrampeln, und alles roch nach Rauch. Noch später stand Rebecca am Klavier und sang mit Harrison Grey ›I’ve Got You Under My Skin‹. Danach tanzten sie, Harrison immer noch im Mantel. Er war lang und schlaksig, eigentlich kein guter Tänzer, aber er hielt sie fest an sich gedrückt, und als die Musik endete, gab er ihr einen Handkuss.  
    »Ich muss jetzt leider gehen«, sagte er. »Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Mrs. Rycroft. Vielleicht rufe ich Sie einmal an.«  
    Er schien eine Antwort zu erwarten, aber die Freude, die sie beim

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